GK0215 - Die Rache des Kreuzritters
Risiko. Ich werde Sie jedoch nicht lange allein lassen. Und sollte der Ritter tatsächlich auftauchen, dann schießen Sie. Zielen Sie auf seinen Kopf. Sie müssen versuchen, die Kugel mitten in den Totenschädel zu setzen. Das Silber hat auf jeden Fall eine abschreckende Wirkung, das kann ich Ihnen schon garantieren. Der Ritter wird geschockt sein. Sie bekommen Zeit. Außerdem werde ich sicherlich den oder die Schüsse hören und kann dann innerhalb kurzer Zeit bei Ihnen sein.«
Rainer Schröder hob die Schultern. »Ehrlich gesagt, so ganz überzeugt haben Sie mich nicht.«
»Ich kann es Ihnen nicht verdenken.« John reichte dem jungen Mann die Waffe. »Versuchen Sie es trotzdem. Es ist unsere einzige Chance.«
Rainer nahm die Beretta entgegen. Er faßte sie mit spitzen Fingern an, als würde er sich davor ekeln.
»Zielen Sie einfach auf seinen Kopf«, sagte der Geisterjäger. »Leeren Sie das gesamte Magazin. Irgendeine Kugel wird bestimmt treffen!«
Rainer schaute auf die Waffe, dann zu Irene und meinte: »Soll ich?«
Irene Held nickte.
»Okay!« John Sinclair erhob sich. Er war froh, daß Rainer Schröder auf seinen Vorschlag eingegangen war. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Und Kopf hoch, es wird schon alles glatt gehen, davon bin ich überzeugt.«
John Sinclair war es sicher. Aber nicht die beiden jungen Leute. Das konnte der Geisterjäger an ihren Gesichtern deutlich ablesen. Bevor John das Zimmer verließ, warf er noch einen Blick auf Michael Kramer. Der junge Mann saß unbeteiligt auf dem Stuhl. Er schien von der Diskussion gar nichts mitbekommen zu haben. Sein Blick war ins Leere gerichtet.
Dann verließ John Sinclair das Turmzimmer.
***
Der Geisterjäger hatte doch ein unangenehmes Gefühl, als er die Wendeltreppe herunterging. Er fragte sich immer wieder, ob er auch richtig gehandelt hatte, doch so sehr er überlegte, ihm fiel einfach keine andere Lösung ein.
John mußte noch einmal mit Jean Muller reden.
Es war fast dunkel im Turm. Ein wenig Mondlicht fiel durch die schmalen Fenster, die mehr Schießscharten ähnelten. Das fahlgelbe Licht wischte über Johns Gestalt und hüllte ihn immer dann, wenn er eines der Fenster passierte, ein wie in einen silbernen Mantel.
John bemühte sich, leise zu sein. Auf Zehenspitzen schlich er die Stufen hinab. Dabei achtete er auf jedes Geräusch.
Es raschelte und knackte zwar in allen Nischen und dunklen Winkeln, aber irgendwelche Alarmzeichen konnte John Sinclair nicht feststellen.
Ungesehen erreichte er die Falltür.
Noch immer lag der Einstieg in das Gewölbe frei vor ihm.
John hatte wieder seine Lampe mitgenommen. Er ließ sie jetzt aufblitzen und leuchtete in die Tiefe.
Leer gähnte ihm die Treppe entgegen. Von Jean Muller war keine Spur zu sehen.
Zum zweitenmal an diesem Tag machte sich John Sinclair an den Abstieg in das unterirdische Gewölbe. Er mußte lächeln, als er auf seine ramponierte Lampe sah. Sie hatte in der letzten Zeit einiges mitgemacht, aber sie brannte.
John erreichte das Ende der Treppe.
Stille umgab ihn!
Kreisförmig schwenkte der Geisterjäger die Lampe. Er wollte Muller so ein Zeichen geben, damit er ihn sah.
Doch es kam keine Reaktion.
John Sinclair nahm den gleichen Weg, den er schon einmal gegangen war. Er hatte sich alles gut gemerkt, und da er ein photographisches Gedächtnis besaß, war es für ihn nicht schwer, die Folterkammer wiederzufinden.
»Monsieur Muller!« rief er immer wieder.
... Muller... Muller...
Hohl klangen die Echos seiner Rufe von den Wänden zurück. Doch der Wirt selbst gab keine Antwort.
John Sinclair begann daran zu zweifeln, daß er Muller tatsächlich hier unten finden würde. Er drückte die Tür zur Folterkammer auf, ließ den Lampenstrahl durch den Raum wischen – und zuckte plötzlich zusammen.
Er hatte zwei Füße gesehen.
Sie ragten hinter der Streckbank hervor.
John Sinclair kannte die braunen Halbschuhe mit den dicken Kreppsohlen. Kein geringerer als Jean Muller trug sie.
John Sinclair huschte in die Folterkammer, umrundete die Streckbank und sah Muller liegen.
Der Wirt lag im Sterben. Röchelnd drang der Atem über seine Lippen. Die Augen waren weit geöffnet. Über den Pupillen lag schon ein dumpfer Schleier.
Jean Muller hatte beide Hände vor der Brust verkrampft. Blut sickerte zwischen seinen gespreizten Fingern hervor und hatte das Hemd auf der Vorderseite völlig getränkt.
Daß der Mann noch lebte, grenzte für John Sinclair schon an ein Wunder. Die
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