GK091 - Die Rache des Todesvogels
andere. Und am schlimmsten von allen: Paco Benitez!
Ich schritt die Stufen trotzdem hinunter. Mir ging es darum, Vicky Bonney wiederzufinden.
Um dieses Ziel zu erreichen, hätte ich mich sogar in die Hölle hinabgewagt.
Särge.
Alte Modelle. Sie lehnten an den Wänden, standen auf dem Boden herum, waren leer.
Leer, bis auf einen!
Heute weiß ich natürlich, dass ich einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte. Im Nachhinein weiß man so etwas immer besser. Aber damals, als ich in diesen Keller kam, als ich in diesem Eichensarg meine Freundin wie tot liegen sah, da vergaß ich alles um mich herum.
Ich rannte auf den Sarg zu.
»Vicky!«, brüllte ich. Ich dachte, sie würde nicht mehr leben. »Vicky!«
Ich dachte an keine Gefahr.
Ich verlor einfach den Kopf, rannte, so schnell ich konnte, auf den Sarg zu.
Da flog plötzlich etwas oder jemand auf mich zu. Er kam aus einer dunklen Nische. Seine Augen glühten.
Ich sah eine weiße Hand.
Dann fegte mich ein fürchterlicher Hieb von den Beinen.
Ich verlor die Besinnung. Ich verlor Vicky. Ich verlor einfach alles.
Doch ich fiel nicht in diese weiche schwarze Ohmnacht, die solchen gewaltigen Schlägen normalerweise folgt.
Ich kippte sozusagen aus mir selbst heraus. Es ist nicht leicht zu erklären, was damals in diesem schrecklichen Keller des Beerdigungsinstituts mit mir geschah.
Ich hatte das Gefühl, gespalten zu sein.
In einen Körper und in eine Seele.
Ich konnte neben mir stehen. Ich konnte meinen Körper sehen, schaute auf diesen Menschen hinunter, der zu meinen Füßen lag und sich nicht rührte. Auf diesen Menschen, der ich selbst war.
Diese Dämonen hatten ein neues Spiel erfunden, um mich zu foltern.
***
Ich sah, wie ich erwachte.
Ich sah, wie der andere vor mir erschrak. Ich hörte ihn entsetzt aufschreien, und es erfüllte mich mit einer teuflischen Wonne, ihn schreien zu hören.
Plötzlich hatte ich eine neunschwänzige Peitsche in der Hand.
Ich begann sofort wild auf den Schreienden einzuschlagen.
Dunkelrote Striemen liefen über sein Gesicht. Ich zerfetzte seine Kleider mit meiner Peitsche. Ich schlug ihn auf die nackte Haut. Sie schwoll an und platzte auf.
Ich peitschte ihn weiter.
Ein furchtbares Gefühl marterte mich dabei.
Die Schmerzen, die ihn so grässlich brüllen ließen, die spürte auch ich.
Aber ich konnte nicht aufhören, auf ihn einzuschlagen.
Je mehr er schrie, je mehr er blutete, desto rasender machte es mich.
Es war grauenvoll.
Ich schlug immer wieder in sein Gesicht, weil es mein Gesicht war und weil ich es nicht mehr sehen wollte.
Bald war dieses Antlitz nur noch eine blutverschmierte Maske.
Der Mann fiel um.
Ich hörte trotzdem nicht auf, ihn zu peitschen. Ich wollte ihn töten. Ich wollte mich selbst vernichten.
Er kam noch einmal hoch. Er floh vor mir, seinem unbarmherzigen Ich, das nur den einen Wunsch hatte: ihn zu erschlagen!
Zitternd versuchte er über einen breiten Tisch zu kriechen.
Aber ich war schon bei ihm. Ich riss die Peitsche hoch.
Sie verwandelte sich in meiner Hand, wurde zu einem Henkersschwert.
Ich musste diesen Mann töten. Etwas zwang mich, obwohl ich fühlte, dass ich mir damit selbst den Kopf abschlagen würde.
Ich musste es tun.
Der Mann auf dem Tisch stieß grässliche Schreie aus.
Er rang die Hände.
Ich hatte kein Erbarmen mit mir.
Surrend sauste das Schwert herab, durchtrennte den Hals des Opfers.
Ich spürte einen wahnsinnigen Schmerz in der Kehle.
Ich hatte es getan!
Atemlos starrte ich auf das blutbesudelte Schwert. Plötzlich riss mich ein gellendes Gelächter aus meiner seltsamen Ohnmacht. Meine Seele fand wieder in den Körper zurück. Ich wurde wieder zu einer einzigen Person. Doch die Schmerzen blieben.
Wankend stand ich vor dem Tisch. Es flimmerte vor meinen Augen. Ein Körper lag da. Aber es war nicht der meine.
Ein Körper lag vor mir. Aber er hatte keinen Kopf!
Ein fremder Körper! Ohne Kopf. Ich stand davor. In meiner Rechten hielt ich noch das blitzende Henkersschwert.
Ich hatte einem Menschen den Kopf abgeschlagen! Ich suchte den Kopf. Da lag er auf dem Boden. Ich starrte entsetzt auf die Glatze. Wessen Kopf war das? Der von Federico Mondo?
Ich erfuhr später, dass diese Vermutung richtig gewesen war.
***
Mir wollten die Sinne schwinden.
Ich ließ das Schwert fallen. Mich ekelte davor. Ich wandte mich von dem Leichnam ab. Mein Magen revoltierte. Beinahe hätte ich mich übergeben.
Es war einfach zu viel für mich.
Ich hatte Mondo getötet.
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