GK409 - Der Herr der Ghouls
begrüßte Vicky. Sie mixte ihm einen Drink. Ich erzählte ihm von Roxane.
Auch Mago, den Schwarzmagier, erwähnte ich, dessen Aufgabe es war, abtrünnige Hexen zu jagen und zu töten.
Lances Miene verfinsterte sich. »Er wird sie eines Tages finden, Tony.«
»Damit rechne ich, und ich hoffe, daß es mir dann möglich sein wird, ihn an seinem Vorhaben zu hindern.«
Lance bekam seinen Drink. Mir fiel auf, daß in der Außentasche seines Jacketts eine zusammengefaltete Zeitung steckte.
Nun zückte der Parapsychologe das Blatt, entfaltete es und tippte auf einen Artikel, den ich lesen sollte.
Die Reportage berichtete von einem grausamen Mord an einem Verbrecher namens Mike Nevada. Nevadas zahlreiche Straftaten wurden aufgezählt, und ich erfuhr, als ich den nächsten Absatz las, daß Nevada nur noch an Hand seiner Fingerabdrücke identifiziert werden konnte.
Der Mann war von einer oder mehreren Bestien übel zugerichtet worden. Zum Glück hatte das Blatt darauf verzichtet, ein Foto von dem Toten zu bringen. Dafür sah ich eine Aufnahme von der Stelle, wo man Nevada heute morgen gefunden hatte.
Nachdem ich den Bericht gelesen hatte, legte ich die Zeitung auf den Couchtisch.
»Die Polizei steht vor einem Rätsel«, sagte Lance Selby.
Ich nickte stumm.
»Was hältst du von der Sache?« wollte Lance Selby wissen. »Meiner Ansicht nach hat den Verbrecher kein Mensch umgebracht. Das war wirklich eine Bestie. Vielleicht ein Wolf. Nach den beschriebenen Verletzungen zu schließen…«
Ich hörte nicht zu, was der Parapsychologe sagte, eilte zum Telefon und rief Scotland Yard an.
Oberinspektor John Sinclair war mein Freund. Wir hatten zusammen bereits einige gefährliche Abenteuer hinter uns gebracht. Ich wollte wissen, ob er sich dieses Falles bereits angenommen hatte. Wenn nicht, würde ich mich darum kümmern.
Ich verlangte Johns Büro. Seine Sekretärin, Glenda Perkins, meldete sich.
»Tony Ballard«, sagte ich. »Kann ich John sprechen?«
»Tut mir leid, Mr. Ballard, Mr. Sinclair ist nicht da.«
»Kann man ihn zu Hause erreichen?«
»Er ist nach Katmandu abgereist.«
»Nach Katmandu«, echote ich. Weiter ging’s ja nun wirklich fast nicht mehr.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« erkundigte sich das hübsche schwarzhaarige Mädchen.
»Nein. Vielen Dank«, sagte ich und legte auf.
Der Geisterjäger von Scotland Yard kümmerte sich nicht um den grausigen Mordfall. Also war es mein Fall.
Ich schaute Lance Selby an. »Kommst du mit?«
»Wohin?«
»Ich möchte mich auf dem Friedhof umsehen.«
»Da bin ich dabei.«
»Dann trink aus?«
Lance leerte sein Glas. Ich küßte Vicky.
»Sieh dich vor«, sagte sie. »Ich habe so ein komisches Gefühl.«
Ich lächelte schief. »Wie oft muß ich dir noch sagen, daß du dich um mich nicht zu sorgen brauchst? Unkraut vergeht nicht.«
Wir verließen das Haus, stiegen in Lance Selbys Wagen und fuhren ab. Der Friedhof lag in der Nähe der Themse.
Brompton Cemetery.
Wir kamen von Paddington und fuhren nach Süden. Nachdem wir die Court Road hinter uns gelassen hatten und Lance in die Lillie Road eingebogen war, sahen wir die Friedhofsmauer.
Lance stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz vor dem Friedhof ab. Wir betraten den Gottesacker, schritten an zwei Aufbahrungshallen vorbei und näherten uns zielstrebig jener Ecke des Friedhofs, der von den meisten Menschen tunlichst gemieden wurde, weil es hier angeblich - wie ich wußte - hin und wieder spukte.
»Was mag sich hier in der vergangenen Nacht abgespielt haben?« dachte Lance laut.
»Ein Mann wurde ermordet«, sagte ich lakonisch.
»Ja, aber warum? Der Mann war ein Verbrecher. Was hatte er nachts auf diesem Friedhof zu suchen?«
»Vielleicht hatte er die Absicht, sich vor der Polizei zu verstecken. Er hatte eine Menge auf dem Kerbholz«, sagte ich.
»Das ist richtig, aber aus dem Zeitungsbericht ging nicht hervor, daß ihn die Polizei gejagt hat.«
»Zeitungsberichte sind immer mit Vorsicht zu genießen«, erwiderte ich. »Du erfährst nur dann halbwegs die Wahrheit, wenn du mindestens fünf Blätter gelesen hast.«
Wir erreichten die Stelle, wo man Mike Nevada gefunden hatte. Die Erde war von Polizeistiefeln aufgewühlt. Rostrote Blutflecken waren noch zu erkennen.
Lance versuchte in Gedanken die Zeit zurückzudrehen. Und er versuchte sich in Mike Nevadas Lage zu versetzen.
»Er begibt sich aus irgendeinem Grund hierher«, sagte der Parapsychologe gedehnt. »Und plötzlich wird er überfallen. Von
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