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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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auch erscheinen mochte. Jeder legte nun noch eine Patience Tarot und wir freuten uns, als Kieran vorhergesagt wurde, er würde bald all seine Haare verlieren. Alle! Er tat es mit einem lässigen Wink ab und stürzte sich auf die schadenfrohe Eirwyn, um mit ihr hinter einem Vorhang aus hellbraunen Strähnen zu verschwinden. Ich sah einige davon silbrig in der untergehenden Sonne aufschimmern. Um nicht wie ein Spaßverderber da zustehen, stürzte ich mich im Gegenzug auf Giniver, die mir immer wieder mit ihrem spitzen Finger neckend in die Seite stieß, und biss sie in die Nase, bis sie kreischte und wir wieder die Aufmerksamkeit der beiden Turteltauben hatten. Nach der vergangenen Nacht wollte ich so wenig erotische Schwingungen wie möglich zwischen ihnen entstehen lassen.
    Wir packten die Körbe zusammen und Kieran entzündete sein geniales Kraut in einer zarten Porzellanpfeife, die Eirwyn ihm reichte. Irgendwann versuchte Eirwyn, ihm die Pfeife aus der Hand zu nehmen, um etwas von dem Kraut abzubekommen, doch er entzog sie ihr.
    »Dieses Kraut würde jedes Weib auf der Stelle umhauen, und obwohl ich das begrüßen würde …«
    Sie schenkte ihm ein grimmiges Grinsen.
    »Wenn du es nötig hast, mittels eines Krautes …«, begann ich wider besseren Wissens.
    »Wie vorhersehbar du geworden bist, Van Sade. Oh, hoppla – das warst du ja schon immer!«, spottete Kieran und zog Eirwyn an sich, doch die stemmte ihre Hände in seine Seite und hielt ihn auf Abstand.
    »Der blinde Gehorsam einer Frau ist ebenso tatsächlich, wie die Torheit des Mannes, sich diesem sicher zu sein«, rezitierte sie laut und nahm ihm blitzschnell die kleine Pfeife aus dem Mundwinkel.
    Dass Giniver sich ihrem Lachen anschloss, erschien mir surreal, ebenso wie diese Aussage. Man sollte den Damen wirklich ihre Schundromane abnehmen und stattdessen damit den Kamin befeuern.
    »Oh, mein lieber Frederick! Was ziehst du für ein Gesicht? Blinder Gehorsam und Sittsamkeit ist etwas für Frauen ohne Sinnlichkeit und Selbstwert. Ich denke doch, dass ich beides zu Genüge vorweisen kann. Wer soll mir wohl verbieten, zu tun und zu lassen, was ich will und wann ich es will? Etwa ein Mann?«
    Sie lachte laut auf und stieß den Jäger in die Seite. Zufrieden sah ich, wie er gequält lächelte. Was für ein Duckling.
    »Oder etwa meine Mutter?«
    Wieder lachte sie, diesmal jedoch bitter und zu laut, als dass es echt sein konnte. Ich erwiderte als einziger ihren Blick. Verdutzt registrierte ich eine Tür in meinem inneren Selbst – eine, durch die ich nur einen winzigen Blick werfen konnte, bevor sie sich wieder schloss, vielleicht, um sich nie wieder zu offenbaren. Durch den schmalen Spalt erkannte ich ein wildes junges Mädchen, das zunächst gebändigt werden sollte, um als makelloses Eigentum zu dienen. Später entsprang dem ein außergewöhnlich schönes Fräulein, nun widerspenstig durch die engen Fesseln der überfürsorglichen Mutter. Allein durch ihr fortschreitendes Alter und ihre Makellosigkeit spie sie der Mutter deren eigenes Altern und den unaufhaltsamen Verfall unbarmherzig ins Gesicht. Ich sah, wie meine Herrin ihrer Tochter hart ins Gesicht schlug, sie mit einer Kerze am Arm brannte und sie gegen das eiserne Treppengeländer am Hinterausgang des Manors stieß. Szenen, kurz und brutal, in denen Eirwyn jedes Mal ein wenig erwachsener erschien. Und sie lächelte jedes Mal zornig und überlegen ihrer Mutter ins Gesicht. Ich verstand nicht, was ich sah, und bin mir auch heute noch unsicher, ob ich das alles im rechten Schein erkannte, oder ob mich das Zwielicht und der berauschende Geruch des Krautes doch geistig irreführten. Fahrig lehnte ich die Pfeife ab, die Eirwyn mir reichte und sie wanderte weiter zu Giniver. Ich wischte diese äußerst verwirrenden Gedanken mit den ersten feinen Regentropfen beiseite, die nun eiskalt auf uns niedergingen. Der Regen war beinahe schon gefroren und weckte mich ein wenig auf aus den eigenwilligen Gedanken, die sich in mein Hirn schlichen.
    Sogleich kam auch ein kühler Wind auf und wir rafften all unsere Sachen noch etwas enger zusammen und eilten schnellstmöglich zurück zum Gut. Unterwegs ging ein wahrer Schauer auf uns nieder, der nicht nur meine Frisur, sondern auch Ginivers Schürze ruinierte. Eirwyn schlug vor, sich doch in einer Stunde im Kaminzimmer zu treffen, um einen geselligen Abend gemeinsam zu verbringen und ordnete einem ihrer Servants im Vorbeirauschen an, den Kamin zu schüren. Ich freute

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