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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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ich.
    Sie blieb abrupt stehen und sah mir unangenehm tief in die Augen. »Was hätte ich wohl zu vergeben, glaubst du? An jenem Abend hat sich mein Vater für seine Ehefrau entschieden – als ob es galt, sich für jemanden zu entscheiden! Obwohl diese Frau anfing, mich bei den kleinsten Fehltritten fortzusperren, und es genügte schon ein Gähnen während des Abendessens! Damit niemand mich allzu oft sah, damit niemand sehen konnte, dass ich älter wurde – und sie mit mir. Zuerst fing sie an, mich für meine Jugend zu hassen. Aber es ist der Kreislauf der Natur! Ein jeder hat sein Leben! Und meines begann, während sie ihres bereits gehabt hatte. Natürlich trotzte ich ihren lächerlichen Verboten! So oft ich konnte, floh ich aus meinem Zimmer, um zu reiten, im Garten unter der Weide zu lesen …« Sie tat einige tiefe Atemzüge. Mühsam senkte sie die Stimme, damit unser Plausch weiterhin unter uns blieb. »Sogar er schalt mich ein ungehorsames Gör. Mein eigener Vater!«, zischte sie erbost. »Sie hat mir geschadet, so gut sie konnte, ohne gleich die Aufmerksamkeit darauf zu ziehen. Sie tat mir weh, Frederick … sie …« Sie stockte, beschleunigte ihren Schritt, zwang sich zur Ruhe und zerrte an meinem Arm, als sei ich derjenige, der angefangen hatte, durch den Salon zu rasen. »Einst liebte er mich mehr als alles andere, bevor sie ihm sein Herz vergiftete, da sie es nicht mit Zuneigung allein für sich behalten konnte.«
    Etwas melodramatisch für meinen Geschmack, aber irgendwie auch wahr, wie ich heute weiß, was mich in jenem Moment jedoch ein wenig empörte.
    »Sie hat ihn mir fortgenommen und mich ihm. Alles, was ich tat, war in ihren Augen selbstsüchtig. Wenn ich fortschlich in den Wald oder wenn ich mit den anderen Kindern auf dem Gut spielen wollte. Dabei ist sie eine Narzisstin! Eine erbärmliche alternde Ziege, die alle möglichen Tierkadaver und Giftkräuter frisst, sich damit einreibt, darin badet und so weiter. Sie ist so eifersüchtig, dass es sie krank gemacht hat. Nicht körperlich. Aber im Geist.« Sie blieb abrupt stehen. »Ich kann doch nichts für mein Gesicht, Frederick!«
    Ich wusste nicht, was ich glauben sollte und ob ich überhaupt irgendetwas glauben sollte. Bis vor wenigen Tagen noch dachte ich, alles zu verstehen und dass mein einziges Problem sein sollte, Eirwyn nicht zu verärgern, indem ich sie nach Hause holte. Ich warf einen schnellen Blick zu den Männern am Kamin. Offensichtlich interessierten sie sich keinen Deut für uns. Stattdessen blickte einer der Servants immer wieder kurz zu uns herüber und ich taxierte ihn mit einem garstigen Blick. Ich massierte Eirwyn aufmunternd die zarte Hand. Sie schluckte schwer, zwang sich zur Ruhe.
    »Nie war es mir wichtig, welche Form meine Lippen haben, welche Länge meine Wimpern, ob ich im Auge des Betrachters schön bin, oder auch nicht, Frederick. Wenn ich dorthin zurückkehre, dann nur, um meinen Vater zu holen. Ihr zu verzeihen? Niemals!«
    Sie hatte so heftig geflüstert, dass Wangen und Dekolleté gerötet waren. Ich ordnete ruhig ihren in Unordnung geratenen Kragen.
    »Das verlangt auch niemand von dir«, sagte ich schweren Herzens und schalt mich noch im selben Moment einen Lügner. »Aber zumindest vergibst du ihm. Ich fahre mit dir. Und Kieran sicher auch«, murrte ich.
    Es ist ein Kreuz, mit dieser geheuchelten Freundlichkeit umzugehen.
    Sie strich mir sanft mit den Fingern über die Wange.
    »Danke, Frederick. Wir reden später weiter.« Sie klang traurig und abwesend.
    Sie ließ mich stehen und kehrte zu den mittlerweile lauten Spielern am Kamin zurück. Dem – meiner Ansicht nach gefälschten – Kartenspiel folgte eine Scharade, bei der ich selbstredend unfreiwillig zur Belustigung aller beitrug und schließlich die ersehnte Geschichtenstunde. Wir setzten uns mit genügend Wein und Whiskey vor den Kamin in die weichen Polster. Ich nutzte die Gelegenheit, mich Lord Sandy gegenüber zu positionieren, um ihn im Auge zu behalten, und zugleich bei Eirwyn zu sein. Kieran suchte einen Band aus dem vollen Bücherschrank und barg seinen Titel geheimnisvoll in den Händen. Meiner Meinung nach gibt es nichts Wundervolleres und Gemütlicheres als eine Bücherwand, die einen stets durch zauberhafte und erschreckende Geschichten in gruselige Welten entführt. Und zugegeben, seine Stimme eignete sich hervorragend zum Vorlesen. Er hatte sich für ein modernes Essay der schwarzen Romantik entschieden. Kieran lehnte sich mit einem

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