Glashaus
halten. Ich reden“, zischte Younas dem Jungen zu sowie sie sich den Streifenwagen näherten. Sobald er darüber nachdachte, gab sich Younas kaum eine 10 zu 90 Chance ungeschoren durch die Sperre zu kommen. Aber 10 Prozent, ja selbst nur 2 oder 3 Prozent waren immer noch genug um es wenigstens zu versuchen.
Einer der vier Grünen, die um die Straßensperre herum zu sehen waren, hielt die Kelle heraus, der Junge stoppte den Wagen. Auf seiner Stirn stand Schweiß und auch unter den Achseln seines T-Shirts zeigten sich dunkle Flecke.
„ Ich machen. Du … still. Okay?“
Der Junge nickte eifrig, lenkte dann den Anweisungen des Polizisten folgend an den Straßenrand.
Der Polizist bedeutete dem Jungen seine Scheibe herabzulassen.
„ Ihre Papiere bitte.“
Der Junge beugte sich nach vorn und angelte in der hinteren Tasche seiner Jeans nach seiner Brieftasche.
„ Sie auch, bitte.“
Lächelte der Polizist Younas freundlich an. Younas nickte gefügig lächelte den Polizisten an und schüttelte den Kopf, zuckte auch noch mit den Achseln. Der Polizist war keine fünfundzwanzig und hatte ein Gesicht, das so naiv unschuldig wirkte, als sei es gerade eben irgendwo vom Band gelaufen.
„ Je suis français. No passeport.“
Younas Französisch war um Klassen besser als sein Deutsch. Ergebnis der fast zwei Jahre, die er damals zusammen mit einem algerischen Drogenschmuggler in einer Zelle im Gefängnis verbracht hatte.
Der Junge neben ihm legte betont langsam seine Papiere aufs Armaturenbrett.
Der Polizist griff danach. Warf Younas einen intensiven Blick zu und verschwand zu seinen Kollegen.
Von nun an konnte Younas nur noch hoffen, dass er mit seiner Einschätzung der vier Beamten richtig lag.
Alles basierte auf der schlichten Beobachtung, dass die meisten Leute in diesem Land einen Kanaken über vierzig, solange er keine Anzug trug und eben aus irgendeiner Limousine kletterte, gerade für intelligent genug hielten ein paar Worte Deutsch gelernt zu haben. Aber niemals für so gebildet, dass er außer seinen paar Worten Deutsch und seiner eigenen Sprache, irgendeine weitere Fremdsprache gut genug beherrschte, um sich darin eindeutig und auf Anhieb verständlich zu machen.
Die Beine des Jungen neben ihm begannen unkontrolliert zu zittern, sobald der kleine Polizist zu seinen Kollegen getreten war und mit ihnen zu sprechen begonnen hatte. Younas legte ihm die Hand auf den Oberschenkel, krallte sie plötzlich tief und brutal in das harte Muskelfleisch des Jungen. Sein Kopf zuckte herab - er riss den Mund zu einem stummen Schmerzensschrei auf.
Ein einziger Blick genügte Younas um ihn dazu zu bringen seinen Mund wieder zu schließen.
Jetzt sahen alle vier Polizisten zu ihnen herüber. Younas lächelte ihnen freundlich und etwas schüchtern zu. Wieder steckten die Beamten ihre Köpfe zusammen, blätterten dann, wie es schien ein wenig ratlos in den Papieren des Jungen herum.
„ Oh Gott. Scheiße. Ich halt das nicht aus“, stöhnte der Junge und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Kaum dreißig Sekunden später reichte ihm derselbe Beamte, der sie ihm abgenommen hatte, seine Papiere zurück und winkte den Wagen auf die Straße zurück.
Die Felder waren lockeren Einfamilienhaussiedlungen gewichen und die breite Schnellstraße schmalen Vorortgassen, als Younas eine verwaiste Baustelle sichtete. Was ihn an ihr besonders anzog, war das einsame Dixi-Klo hinter dem halbherzig geschlossenen Bauzaun.
Er befahl dem Jungen den Wagen zu stoppen, zwang ihn mit einer lockeren Geste auszusteigen und trieb ihn vor sich her zu dem Dixi.
Der Junge verstand nicht was das sollte - aber begriff sehr wohl, dass er besser tat, was der Kanake von ihm verlangte. Und das selbst dann noch als Younas ihn in das Dixi stieß und hinter ihm die Tür wieder mit dem Vorhängeschloss sicherte, das die Bauarbeiter zuvor zwar daran gehangen aber nicht zugedrückt hatten.
„ Du … Schnauze … halten. Bis … ich … wiederkomme. Kapiert?“
Ein Stöhnen.
Younas wandte sich ab, zwängte sich wieder durch die Lücke im Bauzaun, trat zum Wagen, stieg ein, startete und rollte davon. Er gab sich irgendwas zwischen zwanzig Minuten und einer halben Stunde, bis der Jungen in dem Klo mutig genug geworden war, um daraus zu entkommen versuchte. Danach würden vielleicht weitere zehn bis fünfzehn Minuten vergehen bis jeder Bulle in der Stadt wissen würde wie er jetzt aussah. Nicht viel Zeit.
Aber vielleicht trotzdem gerade genug um das zu
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