Glashaus
stiller Widerwillen.
„ Ich bleib nicht lange.“
Boyle steckte sich eine Kippe an und zog sich einen Ascher herüber. Die Geräusche aus Richtung Pool waren eindeutig Schritte.
Boyle sah sich um.
Beinah hätte er sie in diesem Fummel nicht erkannt. Doch ihre Augen und ihr Vorbau verrieten sie. Sie hieß Melanie und war dreizehn gewesen als Boyle sie zum ersten Mal aufgegriffen hatte. Damals arbeitete sie von einer Rockerdisco in einem ehemaligen Lagerhaus aus und war schon seinerzeit teurer als die anderen Kids, die ihre schmalen Körper für Dope und H am Bahnhof feilboten.
Boyle hatte sie danach noch drei weitere Male aufgegriffen und zu ihren Eltern zurückgebracht. Dann erfuhr er von ihrer Mutter, dass Melanies Vater die Rundungen seiner Tochter genauso sehr zu schätzen wusste wie ihre Freier. Also brachte Boyle sie beim vierten Mal statt nach Hause in ein Frauenhaus. Ein paar Jahre später sah er sie wieder, als sie in einer Gameshow im TV in einem teuren Edelfummel lächelnd Preise verteilte und am Ende der Show den Moderator auf den Mund küsste.
„ Hi, Boyle.“
Melanie winkte dem Barkeeper, ihr einen Drink zu bringen. Er kam gar nicht erst auf die Idee sie danach zu fragen welche Sorte Drink es denn sein sollte, sondern angelte mit halb offenem Mund nach dem Scotch im Regal.
„ Du siehst aus als hätte Dich grad `n Laster überfahren.“
Ihr hartes Lachen jagte Boyle eine Gänsehaut über den Rücken.
„ Was zur Hölle tust Du hier.“
„ Wonach sieht’s denn aus, Herr Kommissar?“
Die Bierbäuche, die eben soweit gewesen waren ihre Kinnladen mühsam wieder auf die Reihe zu kriegen, ließen sie wieder herabfallen, sowie sie das Wort Kommissar hatten sagen hören.
„ Nach genau der Sorte Weiber, die ich fünf Jahre lang bei der Sitte regelmäßig von der Straße gesammelt hab.“
Melanie zuckte merklich getroffen zusammen. Dann erregte irgendetwas ihre Aufmerksamkeit – sie sah sich um. Eine etwa zwanzigjährige falsche Blondine näherte sich durch die Glastür hindurch der Theke.
„ Für mich dasselbe.“
„ Kein Eis für sie.“
Die Zunge der Blondine verhakte sich in Melanies Mund. Der erste der Bierbäuche erhob sich, warf den beiden Frauen einen feuchten Blick zu und verschwand durch die Tür des Männerklos.
Sowie das Blondchen ihre Zunge wieder in ihren eigenen Mund zurückgefahren hatte, griff sie nach ihrem Drink, nippte daran und konzentrierte ihren Blick anschließend auf Boyle. Dem gerade widerwillig aufgegangen war, dass die beiden Frauen hier nicht zur Arbeit, sondern – genau wie die Bierbäuche - zum Vergnügen gekommen waren.
„ Lia - das ist Kommissar Boyle.“
„ Boyle - Lia.“
Lia schien angetan.
„ Ein echter Bulle. Und auch noch zwei Meter groß.“
Boyle hatte genug. Er warf einen Zehner auf die Theke und stand auf.
„ Drinks sind im Eintritt drin.“
Der Barkeeper griff dennoch nach Boyles Schein.
„ Hab keinen Eintritt bezahlt.“
„ Dacht ich mir.“
Der Barkeeper ließ den Zehner verschwinden.
„ Hat Dir schon mal einer gesagt, dass Du ein bigottes Arschloch bist, Boyle?“
Boyle drehte sich nach Melanie um, aber hielt ihrem Blick kaum zwei Sekunden stand, bevor er wieder wegsah und sich erneut zum Flur aufmachte, wo hoffentlich Teddy bereits auf ihn warten würde.
„ Bigott noch keiner. Aber Arschloch so viele, dass ich schon lange zu zählen aufgehört hab.“
„ Dir ist nie die Idee gekommen, dass ein paar von denen damit richtig lagen?“
„ Nur heute.“
Boyle verschwand durch die Tür.
„ War was?“, erkundigte sich Teddy sobald er Boyles Blick bemerkte.
„ Ja, aber ist nicht wichtig. Was sagt der Typ da oben?“
Boyle wies unbestimmt Richtung Treppe.
„ Deine Schwuchtel hat hier `n Spind gemietet. Für stolze zweihundert die Woche. Muss ihm also wichtig gewesen sein.“
„ Aber?“
„ Dem Chef von dem Laden war seine Freundschaft zu mir noch `n Zacken wichtiger. Ich hab den Schlüssel.“
Teddy präsentierte den Schlüssel eines kleinen billigen Vorhängeschlosses.
In dem Spind lagen drei säuberlich gestapelte Akten und eine geladene GLOCK - sonst nichts. Die Akten wirkten als seien sie aus dem Präsidium geklaut, aber die GLOCK sah aus als hätte sie längst keine Seriennummer mehr.
Teddy griff nach der GLOCK.
Boyle nach den Aktenordnern.
6 Uhr 38. Das Ende der schnurgeraden Allee die auf die Stadtautobahn mündete blockierte eine Straßensperre aus drei Streifenwagen.
„ Du … Schnauze …
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