Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Titel: Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)
Autoren: Tanja Meurer
Vom Netzwerk:
Ausdruck berührte sie. Langsam wandte er sich ab und schritt zur Balustrade. Niemand hinderte ihn, als er zielte.
    Es ging entsetzlich schnell, binnen eines einzigen, lähmenden Moments. Der Schuss fiel.
    Im Gegensatz zu seinem fantasiegeprägten, traumtänzerischen Leben starb Amadeo rasch, still und unerwartet. Er gab nicht einmal einen Laut von sich, als Grimms Kugel durch seine Stirn in den Schädel drang.
    Camilla keuchte. Sie krallte sich hilflos an ihren Halt.
    Die Stille nach dem Schuss lastete über der Bibliothek. Keiner schrie, niemand sprach. Ihr Herzschlag hämmerte umso lauter, das Blut rauschte in den Ohren. Lichtblitze tanzten vor ihren Augen. Lang konnte sie sich nicht mehr halten.
    Grimm drehte sich halb zu ihr um. Seine Augen wirkten stumpf, müde. Dunkle Schatten lagen unter schweren Unterlidern. Sein Gesicht erschlaffte langsam. Er ließ die Waffe sinken und schüttelte müde den Kopf. Als seine Lippen auseinanderklafften, kam nichts als ein würgendes, hilfloses Geräusch heraus.
    Kläglich. Er verlor von einem Moment zum anderen seine unheimliche, übermächtige Bedrohlichkeit. Tränen sammelten sich in seinen Augen. Auf beinah flehende Weise suchte er ihren Blick. Er brach zusammen. Zweifelsohne überrollte ihn nun die Wirklichkeit, nachdem sein Verstand wieder frei funktionierte. Begriff er, was er in Amadeos Auftrag getan hatte?
    Mitleid erwachte in ihr.
    »Camilla.«
    Sie ließ den Kopf herumwirbeln. Bitte nicht jetzt. Camilla ignorierte die überschnappende Stimme ihrer Mutter. Das war der falsche Moment. Grimm wollte ihr etwas sagen, zeigen …
    »Nicht. Geben Sie Camilla Zeit – bitte.«
    Christoph. Erleichtert atmete Camilla durch. Es tat gut, zu wissen, dass er in ihrer Nähe war.
    Sie fing Grimms Blick auf. Ohne zu zögern drang er durch ihren Verstand in ihr Herz. Er suchte nach einer Verbindung. Sie vertrat ihm nicht den Weg. Dieses Mal gab sie nach, obwohl sie ahnte, dass er kaum Zeit haben würde, behutsam vorzugehen. Wenn Chris und ihre Eltern hier waren, warteten sicher auch Weißhaupt und Habicht in der Nähe. Sie würden Grimm festnehmen … oder töten?
    Schnell, hastig drang er in sie. Es fühlte sich nicht brutal an. Er wollte nicht verletzen. Trotzdem erschütterte sie die Flut seiner Gedanken und Erinnerungen. Die Kopfschmerzen steigerten sich zu einem unerträglichen Hämmern. Stöhnend presste sie eine Hand gegen die Schläfe. Ihr wurde schlecht.
    Die Masse der Bilder, Erinnerungsfetzen und die Sehnsucht nach Rache überstiegen ihr Aufnahmevermögen. Von all den Eindrücken nahm sie nur die extremsten Spitzen wahr. Sie durchdrangen Camillas Geist mit einer Intensität, der sie kaum standhalten konnte. Einen Moment lang glaubte sie, er würde ihre eigene Persönlichkeit fortwischen. Der Druck in ihr war unerträglich.
    Von einem Moment zum anderen riss der Strom ab. Die plötzliche Stille in ihr, die dem tosenden Sturm des gequälten Menschen folgte, nahm ihr allen Halt. Schwer stürzte sie zu Boden. Wie zuvor der Lärm der Eindrücke, erschlug die Ruhe, die aus innerer Leere resultierte, sie nun. Warum gab er ihr all sein Wissen, jeden geringen Moment Erinnerungen seines Lebens? War das seine Rache an ihr?
    Jemand umarmte sie sanft. Christophs Präsenz umgab sie. Erschöpft ließ sie sich gegen ihn sinken.
    Ihr Herz klopfte noch immer hart. Sie spürte jeden einzelnen Schlag mit aller Kraft. Es war, als lebte Grimm nun in ihr. Sie spürte seine Angst, seine Leere, seine Verzweiflung und den Wunsch, Ruhe zu finden. Er wollte sterben? Erschrocken riss sie die Augen auf.
    Grimm stand noch immer reglos an der Brüstung. Allerdings beobachtete er sie nicht mehr. Sein Blick richtete sich in das eingestürzte Chaos aus Büchern und Regalen. Er ging ein paar Schritte, stemmte die hölzernen Überreste hoch und wartete.
    »Was tut er?« Die Stimme gehörte Habicht. Angst und Spannung lagen darin.
    »Leise«, antwortete ihr Vater gedämpft.
    Camilla sah sich nicht um. Sie wusste, dass er Amelie befreite. Sie konnte durch seine Augen sehen. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Warum hatte sie eine Verbindung zu ihm und nicht zu Chris? Noch bevor sie sich darüber klar werden konnte, fühlte sie, wie eine unsichtbare Hand nach ihrer griff. Ein Ruck ging durch ihren Arm.
    Amelie ergriff die Finger ihres Bruders, ließ sich von ihm hochziehen.
    Grimm drückte Amelie die Waffe in die Hand. »Hältst du dein Versprechen?«
    Bevor Camilla die kühle Mündung an ihrer Nasenwurzel spürte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher