Glaub nicht es sei vorbei
sieh dir an, was aus mir geworden ist. Ich bin ein verdammter Krüppel. Mein Bein tut mir andauernd weh, ich habe keinen Penny übrig ...«
»Und warum nicht? Du verdienst doch anständig, jedenfalls genug für die Miete und deinen Lebensunterhalt. Du hast dir sogar eine Stereoanlage gekauft.« Lynn sah sich um. »Wenigstens dachte ich, du hättest dir eine gekauft. Wo ist sie?«
»Die hat mir nicht gefallen. Ich hab sie weggeschafft.«
»Du warst doch verrückt nach dem Ding.« Larry leerte sein Glas und sah misslaunig aus dem Fenster. »Du musstest sie verkaufen, stimmt's? Wo bist du da bloß wieder reingeraten?«
»In gar nichts. Ich hab keine Schulden gemacht, aber du musst natürlich gleich wieder das Schlimmste annehmen.« Er blitzte seine Schwester wütend an. Er war nur drei Jahre älter als sie, sah aber mindestens zehn Jahre älter aus, mit den tiefen Furchen in der Stirn und den starrsinnigen, unzufriedenen Falten um Augen und Mund. »Ich komm zurecht, aber bestimmt nicht so gut wie diese Ryan, dieses Miststück. Warum musste sie mir mein Leben ruinieren? Und dann tut sie einfach so, als wäre nichts geschehen. Jetzt hat sie auch noch ein Buch geschrieben und macht bestimmt noch mehr Kohle damit. Hoffentlich hat sie mich in ihrem Schundroman nicht erwähnt.«
»Das hat sie auch nicht.«
»Du hast das verdammte Buch gelesen?«
»Doug hat es gekauft. Ich wollte es zuerst gar nicht lesen, aber ich konnte nicht anders. Na, egal, jedenfalls erinnert nichts darin an Sinclair. Nicht mal Jonnie kommt vor.«
Larrys Kopf schoss in die Höhe, als sie Jonnie erwähnte. »Weiß sie, was mit ihm passiert ist?«
»Wie meinst du das?«
»Na, seine Ermordung. Weiß sie, wer ihn umgebracht hat?«
Lynn zuckte die Schultern. »Woher soll ich das wissen? Wenn sie irgendeine Vermutung hätte, wäre sie doch längst zu ihrem Onkel Bill gerannt, und jemand säße ganz schön tief in der Tinte. Die ganze Familie hat ja so getan, als würde die Sonne über Jonnie aufgehen und untergehen.«
»Er hatte nichts als Scheiße im Hirn. Arroganter kleiner Mistkerl. Wie der Bruder so die Schwester.«
Lynn starrte vor sich hin, während ihr Bruder sich einen weiteren Drink genehmigte. »Rebekka war meine Freundin«, sagte sie. »Becky, Molly und ich.«
»Die drei Musketiere, gleich muss ich kotzen.«
»Wenn du weiter Bourbon in dich reinsäufst, ganz bestimmt.«
»Immer übertreibst du, wie gut du mit Rebekka und Molly befreundet warst. Du warst doch keine Ryan. Und was den Bourbon betrifft, der heitert mich auf. Könnte dich auch aufheitern und dein Gedächtnis auffrischen. Willst du einen?«
»Nein. Ich hab Schluss gemacht mit dem Zeug.« Lynn stand auf und baute sich vor ihrem Bruder auf. Sie war groß, hatte schmale Hüften und volle Brüste. Sie war früh entwickelt gewesen und hatte seit ihrem 14. Lebensjahr Bewerber aller Altersgruppen gehabt, dennoch war sie ihrer Sandkastenliebe, Douglas Hardison, stets treu geblieben. Sie waren ein hübsches Paar gewesen. Inzwischen sahen sie allerdings ziemlich merkwürdig aus, Lynn mit ihrer harten, platinblonden Hagerkeit, Doug mit seinem dunklen, rundlichen Aussehen. Aber während Lynns Mann immer runder wurde, weil er wegen einer nervösen Unruhe, über die er nicht mit ihr sprechen wollte, zu viel aß, wurde ihr Bruder wegen seiner unerbittlichen Arbeitswut, mit der er sein kaputtes Bein wettzumachen suchte, immer dünner und zäher. »Warum regst du dich so auf wegen Becky Ryan?« , fragte Lynn ihren Bruder.
»Das fragst du noch, nach allem, was sie mir angetan hat? Ich hasse sie.«
»Sie war doch noch so jung, als sie dich an Bill Garrett verraten hat. Ich hasse sie auch dafür, aber es ist doch schon so lange her. Du tust ja gerade so, als wäre es gestern gewesen, als würdest du sie jetzt noch viel mehr hassen als damals.«
»Sie ist wegen des Jungen wieder da.«
»Todd? Was hat das mit uns zu tun?«
»Sie sieht und weiß alles.«
»Sie hat überhaupt nichts gesehen, als Jonnie verschwunden war. Und wahrscheinlich hat sie bei Todd Ryan auch nicht mehr Erfolg.« Lynns Augen wurden schmal. »Aber was geht es dich an, ob sie etwas über Todd weiß oder nicht? Was ist los mit dir, Larry?«
Larry goss sich den Bourbon in die Kehle, schnitt eine Grimasse und schleuderte sein Glas gegen die Wand.
5.Kapitel
1
Sonntagvormittag, 11.00 Uhr
Deputy G. C. Curry betrat zögernd Bill Garretts Büro. Die Information, die er ihm zu überbringen hatte, machte ihn
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