Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
sucht das Zeug nicht im Internet, Manette.«
»Was? Woher hat er es denn sonst?«
»Ich habe jede Menge E-Mails von jemandem gefunden, der sich Toy4You nennt. Sie führen alle in einen Chatroom für Fotografie. Ich nehme an, dass es in diesem Chatroom verschiedene Zugänge zu unterschiedlichen Fototechniken oder zu Fotomodellen gibt, zu skurrilen Aufnahmen und Nacktfotos und zu bestimmten Personen, in deren private Chatrooms man gelangen kann. Das Internet heißt nicht zufällig Internet . Die Fäden des Netzes führen überallhin. Man braucht ihnen nur zu folgen.«
»Und was schreibt dieser Toy4You?«
»Was man von einem erwarten würde, der ein Kind vorsichtig anlockt: ›ein bisschen harmloser Spaß‹, ›unter Freunden‹, ›nur freiwillig‹, ›man muss volljährig sein‹, später dann ›Sieh’s dir an und sag mir, was du davon hältst‹ und ›Könntest du dir vorstellen‹ und so weiter.«
»Und Tim?«
Freddie trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. Er schien sich zu überlegen, was er antworten sollte. Entweder das, oder er war noch dabei, die einzelnen Teile zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen.
»Freddie?«, sagte Manette vorsichtig.
»Es sieht so aus, als hätte Tim mit diesem Typen einen Deal ausgehandelt.«
»Mit diesem Toy4You?«
»Mhmm. Der Typ – ich nehme jedenfalls an, dass es ein Mann ist – schreibt in seiner letzten Mail: ›Wenn du das machst, tu ich alles, was du willst.‹«
»Und was meint er mit ›das‹?«
»Er hat ein Video mitgeschickt.«
»Und?«
»Der Garten von Gethsemane«, sagte Freddie. »Aber die römischen Soldaten nehmen keinen fest.«
»Mein Gott«, entfuhr es Manette. Dann weiteten sich ihre Augen, und sie schlug sich mit der Hand vor den Mund. »O Gott, Freddie, glaubst du, Tim hat diesen Mann dazu angestiftet, Ian umzubringen?«
Freddie sprang so hastig auf, dass sein Stuhl beinahe umgefallen wäre. »Nein«, sagte er. »Die Mail ist nach Ians Tod gekommen. Was auch immer Tim von dem Mann will, es hat nichts mit dem Tod seines Vaters zu tun. Und ich glaube, dass er es bekommt, wenn er bereit ist, in diesem Porno mitzuwirken.«
»Was kann er bloß von dem Mann wollen, Freddie? Wir müssen ihn unbedingt finden.«
»Du sagst es.«
»Aber wie …?« Dann fiel ihr die Landkarte ein, die sie gesehen hatte, und sie durchsuchte die Sachen auf Tims Schreibtisch. »Moment«, sagte sie, »Moment.« Dann fand sie sie. Doch sie sah sofort, dass die Karte ihnen nichts nützen würde, denn es handelte sich um einen vergrößerten Ausschnitt aus einem Stadtplan, und wenn Freddie die Straßennamen nicht zufällig bekannt vorkamen, würden sie im Internet einen Straßenatlas suchen und irgendwie versuchen müssen herauszufinden, um welche Stadt es sich handelte.
»Ach Gott, Freddie, das sind nur ein paar Straßen«, jammerte sie und zeigte ihm den Ausdruck. »Was machen wir jetzt bloß? Wir müssen ihn finden!«
Freddie warf einen Blick auf die Karte, faltete sie zusammen und schaltete den Laptop aus. »Los, fahren wir«, sagte er.
»Aber wohin denn?«, fragte Manette. »Weißt du etwa, wo das ist?« Gott, dachte sie, wieso hatte sie sich von dem Mann scheiden lassen?
»Nein«, antwortete er, »aber ich glaube, ich weiß, wer es mir sagen kann.«
ARNSIDE – CUMBRIA
Lynley hatte die Strecke in kürzester Zeit zurückgelegt. Der Healey Elliott war ursprünglich als Rennwagen konstruiert worden, und trotz seines hohen Alters enttäuschte er Lynley nicht. Nach knapp einer Stunde fuhr er von der Autobahn ab. Inzwischen war es sehr diesig geworden, und er musste äußerst vorsichtig fahren.
Die Straße, die über Milnthorpe nach Arnside führte, war eng und kurvenreich, es gab nur wenige Haltebuchten, in die langsame Fahrer abbiegen konnten, um ihn vorbeizulassen, und an dem Tag schienen sämtliche Bauern Cumbrias mit ihrem Traktor unterwegs zu sein.
Lynley hatte das Gefühl, sich beeilen zu müssen. Der Himmel wusste, was Deborah vorhatte, und sie war dickköpfig genug, um irgendetwas Verrücktes zu unternehmen, was sie in Gefahr brachte. Dass Simon ihr immer noch nicht den Hals umgedreht hatte, grenzte an ein Wunder, dachte Lynley grimmig.
Auf halber Strecke zwischen Milnthorpe und Arnside sah er die Nebelbank, die sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit über die Bucht schob, als würde sie von unsichtbaren Pferden gezogen.
In Arnside verlangsamte er sein Tempo. Er war noch nie bei den Faircloughs gewesen, aber von Deborahs Beschreibung her wusste
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