Glauben Sie noch an die Liebe
»Verführungsmenü«, das Sie immer wieder gekocht haben im Laufe Ihrer Karriere?
Nein, es kommt auf die Situation an, in der man sich gerade befindet – ist man in einer Hütte, ist man am Strand?
Was passt denn in der Hütte am besten?
Auf der Hütte habe ich oft ein Currygericht gemacht, das ist immer gut angekommen.
Kochen Sie anders für eine Frau als für einen Gast im Restaurant?
Das ist schon ein Unterschied. Privat koche ich oft einfachere Dinge, aber mit sehr guten Zutaten. Und dann kommt es ja noch darauf an, ob man eine Frau gerade erst kennenlernt.
Wie sah denn früher ein klassisches »Witzigmann-Eroberungsmenü« aus?
Am Anfang habe ich versucht, Eindruck zu schinden. Da habe ich richtig aufgefahren mit Vorspeise, Suppe, Fisch, Fleisch, Dessert. Und vorher hatte ich natürlich dementsprechend Weine getestet, auch Champagner durfte nicht fehlen. Aber solch ein Menü gab es nicht immer, mit der Zeit lässt alles nach.
Verraten Sie uns trotzdem noch ein paar Details. Was genau haben Sie denn serviert?
Ich habe gerne Krustentiere gemacht, Trüffelgerichte oder ein schönes Lammfilet.
Und Sie haben immer die gewünschte Wirkung erzielt?
Ja, es hat lange Zeit gut funktioniert. Das waren sehr schöne Erlebnisse, aber damals war trotzdem vor allem Arbeit angesagt. Machen Sie sich also kein falsches Bild von mir. Ich habe zwar immer ein Auge für schöne Mädchen gehabt, aber ich wäre nie deswegen an einem Ort hängen geblieben.
Wenn Witzigmann von den »Mädchen« erzählt, dann funkeln seine mandelförmigen Augen. Von Fotos kannten wir ihn nur in blütenweißer Kochkluft, jetzt sitzt er ganz im Stile eines Lebemanns vor uns. Die obersten beiden Knöpfe seines hellblauen Hemdes sind lässig geöffnet, um den Hals baumelt ein Lederband mit einem Ring – Schmuck, wie man ihn auch an einem alternden Rockstar sehen könnte. Die grauen Haare hat er akkurat Richtung Süden gekämmt. Auch mit über siebzig ist er noch ein attraktiver Mann. An den Wänden seines Büros geben allerlei Urkunden und gerahmte Fotos Auskunft über die Stationen seines Lebens. Neben Bildern mit Prince Charles oder Gérard Depardieu hängt eine große Landkarte Frankreichs.
Es waren Witzigmanns Wanderjahre, die ihn in die Lage versetzten, die deutsche Küche zu revolutionieren und die französische Nouvelle Cuisine in Deutschland Fuß fassen zu lassen. Nachdem er in seinem Heimatort Bad Gastein im »Hotel Straubinger« gegen den Willen seiner Eltern eine Kochlehre absolviert hatte, erweiterte er seinen Horizont in Bad Reichenhall, Pontresina, Königswinter, Villars, Davos und Bad Ragaz. Schon mit neunzehn war er stellvertretender Pâtissier eines großen Schweizer Hotels, und 1964 gelang es ihm als erstem Ausländer – quasi als Schwarzarbeiter –, im elsässischen Illhaeusern bei den Gebrüdern Haeberlin zu arbeiten. Hier erfolgte seine entschiedene Hinwendung zur Nouvelle Cuisine. Obwohl Witzigmann schon längst ein Meister am Herd war, setzte er seine Lehrjahre fort und machte Station bei weltbekannten Köchen in Lyon, Stockholm, Ettlingen, London, Brüssel und Washington.
An Ihren Wirkungsstätten ließen Sie vermutlich etliche gebrochene Herzen zurück. Haben Sie jemals wirklich geliebt?
Natürlich war ich des Öfteren richtig verliebt, und es hat sehr wehgetan, wenn ich morgens um fünf mit dem Zug davonfuhr.
Standen die Herzdamen dann am Bahnhof und haben gewunken?
Das war unterschiedlich. Manchmal haben sie mit dem Taschentuch gewunken, manchmal sind wir im Streit auseinandergegangen.
Gab es keine einzige Frau, für die Sie das Kochen zurückgestellt hätten?
Nein, die Liebe zu einer Frau war nie so stark.
Warum war Ihnen das Kochen immer wichtiger als die Liebe?
Weil ich das Kochen liebe. Ich habe immer diesen Trieb gehabt.
Welchen Trieb?
Ich wollte unbedingt ein hervorragender Koch werden. Und ich habe sehr früh gespürt, dass mir das mit viel Einsatz gelingen könnte. Meine Arbeit bei den Gebrüdern Haeberlin war dann für mich das Sprungbrett in die Welt der großen Köche. Sie haben mich überallhin empfohlen, auch zu Paul Bocuse. In Frankreich fand ich genau das, was ich immer gesucht hatte. Ich durfte alle erdenklichen Menüs zubereiten und hatte dafür die besten Produkte, die wichtigen Gäste und das fantastischste Ambiente. An freien Tagen bin ich freiwillig in den Betrieb gegangen, ich wollte gar nicht freihaben. Ich wollte mitarbeiten, lernen, immer weiterkommen.
Woher kam diese
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