Glauben Sie noch an die Liebe
Begleiter, Wachmacher und Ego-Booster geworden war. Wohl auch, weil im Kampf gegen Rauschgift ein Exempel statuiert werden sollte, wurde der prominente Koch zur höchsten Freiheitsstrafe verurteilt, die gerade noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnte: zu zwei Jahren. Witzigmann wanderte zwar nicht in den Knast, aber trotzdem endete für ihn der Prozess mit der persönlichen Höchststrafe: Weil er sich vor Gericht weigerte, seine Kontakte in die Szene offenzulegen (»Ich verrate keine Freunde«), folgerte die kommunale Politik, Witzigmann sei entweder »erpressbar«, oder er offenbare damit eine Charakterschwäche, die in Bezug auf Paragraf vier des Gaststättengesetzes einen »Unzuverlässigkeitstatbestand« darstellte. Witzigmann verlor, wofür er alles geopfert hatte: die Konzession für das »Aubergine«.
Sie wurden von einer Frau verraten, aus Eifersucht. Hat das Ihre Einstellung zur Liebe beeinflusst?
Nein, ich bin ja selbst daran schuld gewesen.
Weil Sie der falschen Person vertraut haben?
Ja, und weil ich etwas unterschätzt habe: die zerstörerische Kraft der Liebe.
Wusste diese Frau, was sie Ihnen antat?
Schwer zu sagen. Natürlich war es für mich eine bittere Pille. Aber unabhängig von der Frau ist es natürlich mein Fehler gewesen, dass ich mein Lebenswerk für so einen Mist in den Sand gesetzt habe. Das war eine sehr schwierige Phase, auch für meine darauf folgende Liebesbeziehung. Denn ich war einfach nur depressiv und unglücklich.
Wie lange hat es gedauert, bis Sie sich davon erholt hatten?
Das hat eine ganze Weile gedauert. Neben meinen persönlichen, emotionalen Problemen hatte das Ganze ja auch geschäftliche Ausmaße. Die Prozesse haben viel Geld gekostet, ich habe all meine Werbeverträge verloren. Zwei Jahre lang musste ich meinen Führerschein abgeben.
Sie haben mal gesagt, diese Erfahrung habe Sie ein bisschen »verbittert«. War das bezogen auf die Liebe oder auf die politische und gesellschaftliche Dimension, die der Prozess hatte?
Eher politisch und gesellschaftlich. An mir wurde wohl ein Exempel statuiert. Und ich habe über den Verrat dieser bestimmten Frau hinaus noch eine eigene Theorie, die ich aber nicht beweisen kann. Ich bin davon überzeugt, dass auch andere ein bisschen nachgeschoben haben. Aber das ist alles eine Vermutung, eine Hypothese. Das einzig wirklich Wichtige ist, dass ich es geschafft habe, von diesem Gift wegzukommen.
Eine Sucht hat auch immer eine Ursache. Welche war das bei Ihnen?
Durch meine Scheidung hatte sich mein Lebensrhythmus sehr verändert. Dadurch, dass ich kein Eheleben mehr führte, war ich zwar frei unterwegs, aber auch sehr haltlos. Und am Anfang glaubte ich, mit dem Gift könne ich länger wach sein, noch härter arbeiten oder noch stärker inspiriert sein. Aber das war ein totaler Trugschluss. Ich kann nur sagen: Hände weg davon!
Die einzige »Droge«, die Eckart Witzigmann heute noch lustvoll zu sich nimmt, ist feinperlig und trägt sogar seinen Namen. Gemeinsam mit dem Kellermeister Nicolas Klym des Traditionshauses Ayala hat er eine eigene Champagner-Cuvée kreiert. Als wir ihn fragen, zu welcher Uhrzeit des Tages oder Abends er für gewöhnlich das erste Glas an die Lippen setzt, schaut er auf die Uhr und antwortet schmunzelnd: »Ehrlich gesagt genau jetzt.« Also setzen wir das Gespräch in der Nachmittagssonne auf der Terrasse der französischen Brasserie »L’Atelier« fort, wo Witzigmann mit seiner Lebensgefährtin Niki offenbar manchen Feierabend einläutet. Denn auf der Glatze des Wirtes glänzen keine frischen Schweißtröpfchen, als der Jahrhundertkoch sich niederlässt und die Karte aufschlägt. Und scheinbar unaufgefordert schwebt ein Kühler mit einer Flasche Champagner herbei – natürlich trägt sie den Namen des prominenten Gastes.
Witzigmann selbst pflegt um diese Uhrzeit keine Zwischenmahlzeit einzunehmen, aber er scheint seinen Besuchern angesehen zu haben, dass sie auf ein Mittagessen im Bordrestaurant des ICE verzichtet haben, und bestellt gleich mehrere Kompositionen französischer Pasteten und feiner Würste, dazu Käse und Brot. Fürsorglich nimmt er ein Stück Baguette aus dem Bastkörbchen, um Konsistenz und Frische zu überprüfen. Seine Hände muss er mit großem Geschick vor Schnittverletzungen bewahrt haben, sie sind nicht vernarbt wie die eines Metzgers, sondern weich und filigran wie die eines Dirigenten.
» Er fasst die Zutaten so an, wie eine Frau von einem Mann angefasst werden will«, hat
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