Gleichklang der Herzen
jagte ihr Entsetzen ein.
„Lasst mich gehen!“
Der Klang ihrer eigenen Stimme überraschte sie. Sie schien im Wald zu widerhallen und wirkte schrill und hysterisch. Die Männer warteten auf etwas.
Langsam kam ein Mann durch das Unterholz. Er war groß und viel älter als die anderen. Sein Haar war an den Schläfen grau. Buschige Brauen beschatteten seine kleinen dunklen Augen. Er ging auf sie zu, und sie zwang sich, ihn anzusehen.
„Geh zurück!“
Das war ein Befehl, und sie gehorchte.
Sofort machten sich einige Zigeuner als Führer auf den Weg. Die anderen schlossen sich hinter Ravella als Nachhut an. Sie berührten sie nicht, sahen sie nicht einmal an, und doch fühlte sie sich im Bann dieser Männer wie durch unsichtbare Fesseln an sie gekettet.
Sie gingen schnell. Es überraschte Ravella, wie kurz der Weg war, den sie zurückgelegt hatte. Ihr war es so vorgekommen, als hätte sie auf der Flucht eine große Strecke hinter sich gebracht. Ihre Sohlen bluteten, und ihre Beine schmerzten sehr.
Bald hatten sie die Lichtung wieder erreicht. Durch die Baumstämme hindurch sah man die Wagen und das Lagerfeuer. Die Sonne strahlte vom Himmel und vergoldete mit ihrem Licht die ganze Szene.
Die dunklen Gesichter, die Ravella anstarrten, schienen Unheil zu verheißen. Die Frauen hockten zusammen und erwarteten ihre Rückkehr. Als Ravella zwischen den Bäumen auftauchte, erhob sich die Frau, in deren Wagen sie eingesperrt gewesen war, drohend. Ravella blieb stehen.
Die Frau sprach mit dem älteren Mann. Er antwortete kurz, und ihre Stimmen klangen metallisch hart. Es schien, als ob die Frau die Erlaubnis zu etwas erhalten hätte, denn sie lächelte. Sie zeigte auf den Wagen. Ravella begriff, dass sie dort wieder eingesperrt werden sollte. Die Männer, die sie begleitet hatten, scharten sich erneut um das Feuer.
„Ihr müsst mir sagen, warum ich hier bin!“, schrie Ravella, aber niemand antwortete.
Die Frau hob drohend die Hand, als wollte sie Ravella die Stufen zum Wohnwagen hinaufstoßen. Daraufhin ging Ravella das Treppchen hinauf, die Frau kam hinterher.
Drinnen wurde sie von einem bitteren Gefühl der Enttäuschung überwältigt. Sie hatte jede Chance, zu fliehen, eingebüßt. Zu mächtig waren ihre Gegner gewesen. Ein Schluchzen stieg ihr in der Kehle hoch. Sie senkte den Kopf, damit die Frau ihre Tränen nicht sehen konnte. Die suchte schwer atmend irgendetwas in dem Sammelsurium verschiedener Geräte in einer Ecke des Wagens.
Ich muss mit ihr reden, dachte Ravella. Ich muss versuchen, irgendeinen Kontakt mit ihr zu bekommen. So kann es nicht weitergehen. Sie drehte sich um und sah, dass die Frau hinter ihr stand. Plötzlich fühlte sie eine harte Hand auf ihrem Rücken. Völlig überrascht ließ sie sich vorwärts stoßen, sodass sie auf das Kojenbett fiel.
Sie wollte sich wehren, aber die Frau war viel kräftiger als sie. Mit dem Gesicht nach unten und halb erstickt, wurde sie von dem eisernen Griff um ihren Hals niedergehalten.
Die Frau zerrte an Ravellas Rock. Plötzlich sauste der Schürhaken auf ihren entblößten Rücken nieder. Sie schrie entsetzt auf. Wieder und wieder traf der grausam geschwungene eiserne Haken ihr nacktes Fleisch. Die Haut platzte, und die Qual wurde unerträglich. Ravella hörte ihre eigenen Schreie. Dann versank sie in gnädige Dunkelheit.
Als sie wieder zu sich kam, hörte sie sich schluchzen, aber es klang, als schluchzte ein fremdes Wesen. Sie konnte nicht lange bewusstlos gewesen sein, denn sie lag noch immer in der Koje, und die Frau bewegte sich irgendwo im Raum.
Die Benommenheit ließ nach. Sie empfand einen fast unerträglich klopfenden Schmerz. Ihre Hände waren eiskalt, auf ihrer Stirn stand Schweiß. Die hölzerne Kante der Koje schnitt ihr ins Fleisch. Sie versuchte abzurücken.
Diese Bewegung erweckte die Aufmerksamkeit der Frau. Sie kam näher und schaute auf die blutenden Striemen auf Ravellas Rücken herab. Mit einem befriedigten Grunzen wandte sie sich um, schlurfte zur Tür und schloss sie hinter sich.
Als Ravella allein war, schluchzte sie hemmungslos. Ihre Zähne schlugen aufeinander. Sie berührte ihren Rücken mit der Hand und starrte dann auf ihre blutigen Finger.
Was ihr geschehen war, schien so schrecklich, dass sie es noch nicht fassen konnte. Aber ihr gequälter Körper sagte deutlich genug, dass es kein Albtraum war.
Draußen hörte sie Stimmen. Jemand kam die Stufen herauf. Sie musste ihre Blöße bedecken. Den Rock hatte die Frau auf
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