Gleichklang der Herzen
seiner Düsternis eingebüßt, als er nach einer Fahrt von etwa zehn Meilen durch eine kunstvolle Eingangspforte in eine ulmenbestandene Auffahrt abbog, die vor einem imposanten Herrenhaus aus rotem Klinker endete.
Er hielt schließlich schwungvoll vor dem Eingang des Hauses und fragte die herbeigeeilten livrierten Diener: „Ist Mrs. Sherwood anwesend?“
„Ich will nachfragen, Euer Gnaden“, antwortete ihm der Butler, der den Herzog von früheren Besuchen kannte.
Der Herzog jedoch wartete nicht ab, ob die Dame des Hauses ihn empfangen wollte oder nicht. Sehr wohl wissend, wie ihre Antwort ausfallen würde, stieg er aus und überließ die Zügel seinem Stallburschen.
Er schritt die Treppe hinauf, betrat die Eingangshalle und als ein Diener ihm Hut und Handschuhe abnahm, kam der Butler eilig aus einem der Salons.
„Hier entlang, wenn ich bitten darf, Euer Gnaden“, sagte er, eine Tür öffnend.
Am anderen Ende des lang gestreckten reizvollen Raumes, dessen Fenster sich zum Garten öffneten, erhob sich eine Frau aus einem Sessel. Sie stand so schnell auf, dass das Buch, in dem sie gelesen hatte, zu Boden glitt.
„Nolan!“, rief sie, noch ehe der Butler den Herzog melden konnte. „Du hier! Was für eine wundervolle Überraschung!“ Kaum hatte der Butler die Tür wieder zugemacht, lief sie mit ausgestreckten Armen auf den Herzog zu. Ihre dunklen Augen leuchteten vor freudiger Erregung.
„Und ich dachte, du wärest vielleicht auf Stimmenfang aus, Letty“, sagte der Herzog.
„Ach, das erledigt George allein. Leider wird er dabei ganz unausstehlich.“
Der Herzog hatte damit gerechnet, dass der ehrenwerte George Sherwood nicht zu Hause sein würde, da für seinen Bezirk Neuwahlen bevorstanden und er für einen Sitz im Parlament kämpfte.
„Lass dich ansehen“, sagte Letty Sherwood, des Herzogs Hand in der ihren haltend.
Ihre roten Lippen lächelten einladend, als sie sagte: „Du siehst noch großartiger, noch hübscher, noch aufregender aus, als ich dich in Erinnerung hatte.“
„Du schmeichelst mir!“ Der Herzog erwiderte ihr Lächeln.
Er ließ ihre Hand los und ging zum Getränketisch. „Darf ich mich selbst bedienen?“
„Natürlich. Soll ich dir Champagner bringen lassen?“
„Nein, ich nehme lieber einen Brandy“, sagte er, nach der Karaffe greifend. „Ich bin ganz ausgedörrt, weil ich so schnell gefahren bin.“
„Du wolltest mich sehen?“
„Aus diesem Grund bin ich hier.“
„Nolan, ich kann es kaum glauben. Wenn du wüsstest, wie sehr du mir gefehlt hast. Wie öde für mich alles war, nachdem du mich verlassen hattest, noch dazu mit der unsinnigen Begründung, dir stünde George zu nahe, als dass du ihn hintergehen könntest.“
Sie sprach die Worte leichthin und ohne Vorwurf, doch während ihr Blick ihm folgte, als er mit dem Glas in der Hand zum Kamin ging, sprächen ihre Augen Bände.
Es stimmte, der Herzog hatte diese Ausrede benutzt, als er seine Beziehung zur Gattin seines Freundes beenden wollte. Er war nicht Letty Sherwoods erster Liebhaber gewesen und würde auch nicht ihr letzter sein.
Doch hatte er sich plötzlich der Tatsache gegenübergesehen, dass sie sich leidenschaftlich in ihn verliebte und er sich damit auf sehr gefährlichem Terrain befand. Aus reinem Selbsterhaltungstrieb hatte er sich aus der Liebesaffäre gelöst, ehe die Sache zu weit ging.
Heute aber hatte er Letty Sherwood mit voller Absicht wieder aufgesucht, weil er glaubte, sie wäre das wirksamste Gegenmittel gegen den Aufruhr in seinem Innern.
Sie war ungemein anziehend mit ihrem Temperament und ihrer unstillbaren Lebenslust. Keine der Frauen, die ihre Nachfolge beim Herzog angetreten hatten, konnte sich in dieser Hinsicht mit ihr messen.
Letty Sherwood war nämlich unersättlich in ihrem Verlangen nach dem, was sie Liebe nannte, ja, diese Liebe war das Einzige im Leben, was ihr wirklich Spaß machte.
Der Herzog hatte sich oft die Frage gestellt, wie viel er ihr als Mann überhaupt bedeutete, abgesehen natürlich von der Tatsache, dass sie mit ihm als Liebhaber sehr zufrieden war. Mit der Eroberung des Herzogs von Kingswood, auch wenn sie nur vorübergehend war, hatte sich ihr gesellschaftliches Ansehen beträchtlich gesteigert.
Wenn sie zusammen tanzten oder er bei einem Empfang oder einer Soiree ihre Gesellschaft suchte, war sie von den anderen Frauen glühend beneidet worden.
Nun aber konnte sich der Herzog mit einer gewissen Selbstzufriedenheit sagen, dass Letty immerhin so viel
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