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Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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durchgebe, dass mir nichts geschehen ist, werden diese Papiere weitergeleitet«, sagte Ratoff hastig.
    »Also sputet euch«, befahl Carr den drei Männern und drehte sich auf dem Absatz um. Er hörte Ratoffs Schreie nicht mehr, denn im gleichen Augenblick klappte die riesige Laderampe der C-17 hoch, und die Triebwerke wurden unter ohrenbetäubendem Lärm in Gang gesetzt.
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    Die C-17 startete um Mitternacht, und nach einer Stunde Flug in westliche Richtung änderte sie den Kurs und drehte nach Süden ab. Die Maschine hatte eine Flughöhe von fünfzehntausend Fuß, und die Flugbedingungen hätten nicht besser sein können. Das dumpfe Dröhnen der Triebwerke erfüllte den riesigen Laderaum, in dem sich nichts anderes befand als das Wrack einer alten deutschen Junkers.
    Die C-17 war ein gigantischer Koloss. Sie hieß mit vollem Namen Globemaster III und war die größte Transportmaschine der amerikanischen Streitkräfte, 1991 in Betrieb genommen. Sie konnte jeden beliebigen Zielort auf der Welt anfliegen, ihr Aktionsradius war unbegrenzt, da sie während des Flugs betankt werden konnte. Trotz ihrer Größe war sie im Stande, selbst auf kleinsten Flugplätzen zu landen. Die Spannweite der Tragflächen betrug zweiundfünfzig Meter, sie konnte Flughöhen bis zu zweiundvierzigtausend Fuß erreichen und hatte eine maximale Traglast von sechsundsiebzig Tonnen bei einem Gesamtgewicht von zweihundertfünfundsechzig Tonnen, ein riesiges geflügeltes Frachtschiff. Der Boden des Frachtraums bestand aus vollautomatischen stählernen Walzen, über die militärisches Frachtgut herein- oder herausgerollt wurde. An den Wänden befanden sich zahlreiche Überwachungskameras, damit man den Laderaum vom Cockpit aus im Auge behalten konnte.
    Aus den Mannschaftsräumen führte eine große eiserne Tür in den Laderaum. Nach vier Stunden Flug öffnete sich diese Tür, und Miller erschien darin. Er betrat den Laderaum und schloss die Tür sorgfältig hinter sich. Im Laderaum, in dem einige Neonröhren ein diffuses Licht verbreiteten, herrschte starker Frost. Miller ging langsam auf die Relikte der Junkers zu und begann, die Plane an der Seite zu lockern, wo er die Öffnung 285

    vermutete. Er trennte die Gurte durch, aber als es ihm nicht gelang, die schwere Plane vom Rumpf abzulösen, schnitt er ein Loch hinein, durch das er hineinkroch. Er wusste nicht, in welchem Flugzeugteil die Leichen deponiert worden waren, und als er sich im Schein einer Taschenlampe vortastete, sah er, dass er sich im Bug der Maschine befand. Er hatte keine Vorstellung davon gehabt, wie niedrig und eng es in der Maschine war. Er ging zum Cockpit und leuchtete lange hinein, bevor er sich umdrehte und wieder in den Frachtraum stieg.
    Beim Heck der Maschine ging er genauso vor, schnitt Gurte und Plane auseinander. Es war ihm gleichgültig, was passieren würde, wenn sich herausstellte, dass er sich Zugang zu der Maschine verschafft hatte. Er war zu alt, um sich wegen so etwas Gedanken zu machen. Sein ganzes Leben hatte er die Stunde herbeigesehnt, die jetzt angebrochen war. Er konnte nicht warten, bis sie am Zielort angelangt waren. Er hatte im Grunde genommen keine Sicherheit dafür, dass Carr sein Wort hielt. Ob es ihm möglich war, sein Wort zu halten.
    Carr hatte ihn umgehend wieder zurückschicken wollen, aber Miller war es gelungen, ihn zu beruhigen. Er kannte Carr, denn er hatte ihn zu seinem Nachfolger beim Geheimdienst auserkoren. Ein unerhört dynamischer und couragierter Mann, der keine Gefühlsduselei kannte, wenn es galt, kompromisslos zu handeln. Im Hangar hatte Carr ihn lange angestarrt, bis er schließlich entschied, dass Miller sie in der C-17 begleiten durfte. Als ehemaliger Chef des Geheimdienstes hatte Miller keinerlei Recht, dabei zu sein, kein Recht, sich da einzumischen oder Forderungen zu stellen, und das wusste er. Er wusste aber auch, ebenso wie Carr, dass die Umstände in seinem Fall außergewöhnlich waren.
    Das ständige Dröhnen der Triebwerke machte Miller zu schaffen, und er war ziemlich erschöpft, als er es endlich geschafft hatte, ein Loch in die Plane über dem hinteren Flugzeugteil zu schneiden. Er schlüpfte hinein, knipste wieder 286

    die Taschenlampe an und leuchtete das Heck der Maschine aus.
    Sein Blick fiel sofort auf die grauen Leichensäcke ganz hinten.
    Zweieinhalb Meter lang und recht breit, der Länge nach verschlossen mit einem Reißverschluss. Die Säcke lagen auf dem Boden des Flugzeugwracks und waren

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