Gloriana
Korzeniowski den Hof und segelte nach Polen, um auf raschen Krieg zu dringen. Montfallcon wurde wütender. Quire wurde stärker. Die Königin war verliebt.
Magister Ernest Wheldrake wurde zum Ritter geschlagen; es war die einzige Ehrung der ganzen Herbstsaison.
»Wenn die Luft durchbraust des Sturmes Geschmetter, Wenn die Windsbraut fährt in den Spätsommertraum, Und im Übermut biegt nieder den Baum, Wenn das Laub in feurigen Farben erglüht, Noch bunter als je ein Frühling geblüht, Und der Wildgänse Keil gen Mittag zieht Dann wird stiller der fröhlichen Stimmen Lied, Und vom verschwiegenen Altare steigt Des Opfers Rauch; der fromme Landmann neigt In Dankbarkeit das Haupt und preist die Götter.«
So rezitierte der Poet, hoch zu Roß auf einem prachtvollen Hengst auf dem Sattelplatz vor den Stallungen des Palastes. Er hatte sich in rostbraune Farben gekleidet, sein rotes Haar leuchtete in der Sonne, und er begleitete seine Verse wie ein Dirigent mit steifen Armbewegungen, was Lady Lyst, die ein wenig vornübergeneigt im Sattel saß, zu einem Seufzer Anlaß gab.
»Sehr hübsch, Sir Ernest!« rief die Königin, die kein Wort verstanden hatte. Sie saß in waldgrünem Wams und Beinkleidern auf ihrem Fuchs, mit weißer Halskrause und weißen Manschetten, gegürtet mit einem Hirschfänger, eine spitze Jägerkappe auf den roten Locken. Kapitän Quire, in seinem gewohnten Schwarz, schwang sich auf seinen Rappen und lächelte den Mitgliedern der Jagdgesellschaft zu, die sich zum Ausritt anschickten. Sir Vivien Rich, rundlich und fröhlich, hatte die Leitung des Jagdausfluges übernommen, glücklich, daß es ihm gelungen war, die Königin und ihr Gefolge zu gesünderem Tun als jenem verlockt zu haben, welches sie sonst pflogen.
Die Hörner erklangen, und die Meute strömte mit Gekläff aus dem Zwinger, ein weiß und braun gefleckter Strom, der um die Pferdebeine brandete. Sir Orlando Hawes, nahe bei seinem Freund Sir Vivien, trug Rotbraun und Gold, während Alys Finch in einem Jagdkleid aus rotem Samt damenhaft auf einem kleinen Wallach ritt. Sir Amadis Cornfield, auch er zu Pferde, hielt sich in ihrer Nähe und blickte von Quire zu dem Mädchen und wieder zurück, besorgt um eine Antwort, die nicht gegeben werden konnte. Und Lord Gorius kam von der anderen Seite herangeritten. Beide Rivalen waren in verschiedene Tönungen von Grün gekleidet.
Sir Thomasin Ffynne kam auf seinem eigenen Pferd auf den Sattelplatz geritten und grüßte die Königin mit gezogenem Barett.
»Ach, Sir Tom! Könnt Ihr mir sagen, wo Lord Rhoone ist?« »Zurückgekehrt zu seiner Familie auf dem Land.«
Sie zuckte die Achseln, leerte ihren Abschiedstrunk und
reichte das Glas ihrem Steigbügelhalter. Die Meute war bereits in Bewegung, und die Spitze der Jagdgesellschaft ritt durch das Tor auf das offene Land hinaus, wo leichter Nebel über den Wiesenniederungen lag. »Ich denke, er ist am besten fort vom Hof.«
»Das mag er auch gedacht haben.« Sir Thomasins Pferd begann unruhig zu tänzeln, als die Jagdhörner das Signal zum allgemeinen Aufbruch gaben. Er hatte einige Mühe, es wieder unter Kontrolle zu bringen. Er war kein Jäger. »Und ich sprach heute früh Lord Montfallcon.«
»Er schläft überhaupt nicht«, sagte sie achtlos. »Spürte er wieder Spionen nach?«
»Er sagte, die Perrotts hätten die Hälfte der adligen Häuser Albions für sich gewonnen.«
Sie gab ihrem Pferd die Sporen. »So sollen sie meinethalben das ganze Reich haben!«
Im Handgalopp folgten sie der Meute zum Tor hinaus.
Bald war die Königin ihrem Liebhaber ein gutes Stück voraus. Mit flatterndem Umhang und zurückgebogener Hutkrempe suchte er sie einzuholen. Es ging dahin über abgeerntete Felder und taufeuchte Hecken, und schon waren sie auf allen Seiten von offenem Land umgeben, spürten den Wind im Gesicht und genossen das würzige Aroma von feuchtem Laub, Erde und ausgebrachtem Stallmist. Quire wußte, daß der Oktober sein Monat war, sein größter Erfolg, und er konnte seine freudige Stimmung zeigen, als er, der Königin nachjagend, über federnde, moosige Wiesen und die zarten lila Kelche der Herbstzeitlosen dahingaloppierte, zur Rechten den Waldrand mit seinem grünen Unterholz und den flammenden Farben der Ahorne und Espen. Weit voraus verkündete das aufgeregte Kläffen der Meute, daß sie dem Fuchs auf der Fährte war. »Möchtet Ihr nicht für immer frei sein, Majestät – eine Waldelfe?« rief er. »Kennt Ihr das Lied von Robin Hood und
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