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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Mangels an Spannkraft und überlegte, ob sein Gehirn, das soviel behalten hatte und soviel beherrschte, in dieser Zeit der schleichenden Krise endlich zu versagen drohte. Die Königin war in letzter Zeit melancholischer denn je, und er wußte den Grund nicht zu nennen. Sie war der Frage der Eheschließung schlau ausgewichen, als er sie zur Sprache gebracht hatte. Lord Montfallcon hatte auch Nachricht erhalten, daß Tom Ffynne im Mittelmeer in Gefangenschaft geraten war. Der alte Pirat wurde offenbar kurzsichtig und hatte eine arabische Schonerbark für eine iberische Bark gehalten, und nun beklagte Arabien sich laut und wortreich, gleichsam ritualistisch, obwohl der Irrtum offensichtlich war. Dann war Sir Christopher Martin inmitten all dieser Verdrießlichkeiten gestorben, offenbar von eigener Hand vergiftet, als ob er sich entehrt fühlte. Dies war ein schlechtes Omen für Adlige und Gemeine. Gerüchte wollten von Streitigkeiten zwischen König Kasimir und dem Großkalifen wissen; andere von einem Pakt zwischen den beiden. Des weiteren gab es Gerüchte aus der Tatarei, aus den deutschen und flämischen Staaten, aus Iberia und den Hochländern, aus Afrika und Asien; und Quire, sein Auge, seine Hand, seine Waffe in der Welt, war abgängig.
    Ob Quire, brüskiert von seinem abwesenden und mißgestimmten Verhalten während ihres letzten Zusammentreffens, sich zurückgezogen hatte und, auf dem hohen Roß sitzend, abwartete, bis er sich bei ihm entschuldigte, ob sein Stolz wirklich verletzt war, ob er einer plötzlichen Eingebung folgend ins Ausland gereist war oder sogar ausländische Dienste suchte, oder ob er endlich einen angemessenen Preis für seine Verbrechen bezahlt hatte, wußte Montfallcon nicht. Und von allen Dingen, die Lord Montfallcon verhaßt waren, schien ihm Unwissenheit am unerträglichsten. Alles zu wissen, war für ihn nicht nur eine Notwendigkeit, sondern ein innerer Drang. Nun war nicht nur seine wichtigste Informationsquelle erschöpft, er wußte nicht einmal, wo dieser Quell verlorengegangen war. Verdrießlich und frustriert, ohne Nachricht, die als Grundlage weiterer Aktionen oder Nachforschungen dienen konnte, befiel Montfallcon eine Art von Schrecken, wie er einen Krieger überkommen mag, der mitten im Schlachtgetümmel Anzeichen von drohender Lähmung und Blindheit bemerkt. Es schien Montfallcon, als ob unsichtbare Feinde näher schlichen und ihre allgemeine Bösartigkeit alles war, was er von ihnen erspüren konnte.
    Er hatte sein Werkzeug, Quire, nicht verstanden, hatte von der Vielschichtigkeit seines Wesens nichts wissen wollen; er hatte seine Ansicht über den seltsamen Charakter des Mannes der Wahrheit aufgezwungen; er hatte seine eigene Regel durchbrochen, niemals von Annahmen auszugehen, sondern immer zu interpretieren. Und wegen dieses einen Fehlers, der einen aus Trägheit geborenen Unterlassung, Quire zu interpretieren, mochte er nun seine Herrschaft über den Mann eingebüßt haben. Quire arbeitete um der Liebe zu seiner Kunst willen, wie Montfallcon um der Liebe zu seinem Ideal willen arbeitete, das er ihn Gloriana verkörpert sah. Ihre Partnerschaft, so wurde Montfallcon jetzt klar, hatte auf diesem Einverständnis beruht. Aber er hatte sich über Quires Andeutung von Ebenbürtigkeit geärgert, hatte geglaubt, nicht ertragen zu können, daß sie zusammenarbeiteten wie Dichter, die gemeinsam ein Theaterstück schreiben. In der Vergangenheit hatte Montfallcon sich angewöhnt, jeden Ausdruck von Stolz zu vermeiden, der überheblich sein oder der Verwirklichung seiner Ziele schaden mochte, aber in seinem letzten Gespräch mit Quire hatte er sich von seiner Verärgerung, seiner Arroganz beherrschen lassen und war mit Quires eigenem Stolz zusammengeprallt. Er sah jetzt ein, daß er die gleiche Erbitterung gefühlt haben würde, hätte Quire ihn in ähnlicher Weise angegriffen – ihn etwa niedriger Motive in seiner Arbeit für Albion, bezichtigt. Aber Montfallcon respektierte Quires Intelligenz: Es schien nicht typisch für den Mann, daß er ihm so lange grollen sollte. Ein paar Tage, gewiß. Sogar eine Woche. Inzwischen aber war ein Monat verstrichen. Montfallcon kam der Gedanke, daß Quire eine Art von Vergeltung gegen ihn planen möchte, aber Quires Wesen war nicht von der Art, die in kleinlichen Racheakten Genugtuung suchte. Wahrscheinlich war, daß Quire seine Unentbehrlichkeit durch ein schwieriges Spionageunternehmen beweisen wollte, dessen Ergebnisse er Montfallcon in Form einer

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