Glücklich gestrandet
betrachten, sie in sein Bett zu holen.
Das Essen kam gerade rechtzeitig, um es ihr zu ersparen, eine bedeutungsvolle Antwort geben zu müssen. »Meine Güte, das ist ja genug, um eine Armee zu füttern!«, meinte Jo.
»Nicht annähernd genug, um ein Boot voller hungriger Seefahrer satt zu bekommen«, wandte Marcus ein.
Jo lachte. Sie war gern mit ihm zusammen. Er mochte von Zeit zu Zeit absolut beunruhigende Dinge von sich geben, aber er verbiss sich nicht in diese Themen oder bestand auf einer Antwort. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit genoss sie die Gesellschaft eines Mannes, von dem sie wirklich das Gefühl hatte, dass er mit ihr zusammen sein wollte – zumindest für diesen Abend.
Als ihre Teller schließlich abgeräumt waren, inspizierte Marcus die Dessertkarte. »Möchtest du einen Nachtisch?«
Jo seufzte. »Irgendwie schon. Doch ich bin so satt, dass ich mich nicht mehr bewegen kann.«
»Dann teilen wir uns einen. Sollen wir Eis mit Schlagsahne nehmen?«
»Definitiv.« Jo lachte.
»Und dann werden wir einen Brandy trinken. Wie oft kommt es vor, dass man am nächsten Morgen nicht viel zu tun hat?«
»Man erwartet also nicht von uns, das Boot im ersten Morgengrauen in das Trockendock zu bringen?«
»Ich glaube nicht, dass sie das Boot vor zehn im Dock haben wollen, und das ist nicht allzu schlimm. In diesem Dock ist man sehr verständnisvoll, was Familien betrifft, die während der Arbeiten an Bord leben. Aber es ist trotzdem besser, nicht da zu sein, während sie tatsächlich arbeiten.«
»Bedeutet das, dass wir bis Einbruch der Dunkelheit durch die Straßen schlendern müssen?«
»Ganz und gar nicht. Wir werden einen Wagen mieten und durch Holland fahren; wir werden nach Amsterdam und nach Delft fahren und all die Sehenswürdigkeiten besichtigen, die Touristen besichtigen, und noch andere Dinge tun.«
»Vielleicht könnten wir einen Flohmarkt finden?«
»Natürlich. Du kannst dich mit passenden Porzellanstücken eindecken, sie restaurieren und sie mit einem riesigen Profit verkaufen.«
»Und ein Vermögen verdienen! Was kann sich eine Frau mehr wünschen?«
»Mir fallen noch einige Dinge ein, die eine Frau sich wünschen könnte.«
Sie zwinkerte ihm zu. »Ich denke, Eis und Schokoladensoße wären für den Augenblick genug.« Sie genoss es, so offen mit ihm zu flirten.
Die Soße und die Sahne kamen in getrennten Schalen. Selbst ohne all die Assoziationen, die sich jetzt für Jo damit verbanden, wäre es ihr wie ein kleines Stück vom Himmel erschienen. Marcus griff nach einem Löffel und belud ihn mit einer Mischung aus Eis, Soße und Sahne, bevor er ihn Jo vor die Lippen hielt. »Weit aufmachen.«
Kichernd tat sie wie geheißen. »Das war zum Sterben gut«, murmelte sie.
»Aber nicht besser als Sex?«
»Das hängt vom Sex ab.« Sie sprach mit einem schnippischen Unterton, erinnerte sich allerdings daran, dass es Zeiten gegeben hatte – ziemlich häufig sogar –, während sie beim Sex mit Philip über Einkaufslisten und dringend nötige Gartenarbeiten nachgedacht hatte.
Marcus aß selbst einen Löffel. »Wow. Das hier hat ziemlich hohe Maßstäbe gesetzt.«
Jo nippte an dem Brandy, der neben ihr aufgetaucht war, ohne dass sie es bemerkt hatte. »Ich werde nicht wirklich Äpfel mit Birnen vergleichen. Keine Sorge.« Dann wurde ihr eins klar: Irgendwann während des Abends hatte sie entschieden, dass sie, sollte sich die Gelegenheit dazu ergeben und er es wollen, Jahre der Konditionierung und des Vernünftigseins über Bord werfen und mit ihm schlafen würde, ganz gleich, wie die Konsequenzen aussahen. Es war ein gewaltiger Schock.
Marcus musste ihr die Regung angesehen haben, denn er lachte. »Keine Bange, ich nehme dich auch nicht beim Wort, sondern nur zur Brust.«
Jetzt war Jo wirklich nach Kichern zumute, und sie nahm einen weiteren Löffel Nachtisch entgegen. »Es ist nur gut, dass wir hier niemanden kennen. Stell dir den Skandal vor: Eine respektable Frau in mittleren Jahren speist mit …« Sie hielt inne, um nach einer passenden Beschreibung zu suchen.
»Einem Schurken in mittleren Jahren?«
»Hmhm. Das trifft es ziemlich genau.«
»Aber da wir niemanden kennen … trink deinen Brandy aus, es wird Zeit, dass wir nach Hause gehen.«
Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012
Kapitel 22
K einer von ihnen wollte zu Fuß nach Hause gehen. Sie fanden ein Taxi und fuhren zurück zum Kai. In der Dunkelheit hielten sie einander an den Händen, und Jo
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