Glücklich gestrandet
Erstaunen hielt Jo tatsächlich einen hellmalvenfarbenen Ordner mit der Aufschrift Wichtige Dokumente in der Hand.
»Es ist mir grässlich zu denken, dass ich dich nicht unterstütze«, meinte Dora, »aber ich denke, ich hätte diesen Führerschein nicht so schnell gefunden.«
Kichernd zog Jo Karens Gabelstaplerführerschein heraus.
»Steck ihn hier mit in die Tasche«, schlug Dora vor.
»Danke. Und jetzt lass uns ein Glas Wasser trinken. Ich habe plötzlich schrecklichen Durst.«
»Das ist wahrscheinlich der Stress«, überlegte Dora.
»Es ist Sommer!«, erklärte Jo, die ihre Gefühle nicht eingestehen wollte, auch wenn Dora es nur gut meinte.
Sie gingen in die Küche, und Jo holte Gläser hervor und füllte sie aus dem großen Kühlschrank, der mit einem Wasserbehälter ausgestattet war.
»Als Karen und ich klein waren, hätten wir das geliebt«, sagte Dora. »Oh, sieh mal, er stellt auch zerstoßenes Eis her. Wir hätten Cocktailbar spielen können.«
»Ich mag Cocktails«, bemerkte Jo. »Möchtest du noch mehr Wasser?«
»Ich habe für den Augenblick alles, was ich brauche.«
»Dann komm, gehen wir ins Schlafzimmer.«
Als sie im oberen Stockwerk ankamen, konnte Dora selbst nicht feststellen, wie viel sich verändert hatte, aber Jos Gesichtsausdruck zufolge war das Bett zu ihrer Zeit nicht übersät gewesen mit flauschigen Spielzeugen.
»Hm, was machen sie, wenn sie abends ins Bett gehen? Ich nehme an, sie nehmen sie alle runter«, antwortete Jo. »Was Philip wohl von all dem hält?«
Dora schlenderte zu dem Ankleidetisch hinüber, der antik war und sehr hübsch. »War das deiner?«
»Ja. Er hat meiner Mutter gehört. Ich werde ihn mir holen, wenn ich ein Haus habe. Er hat eine Glasplatte und dürfte daher keinen Schaden nehmen, falls die Perle ihren Nagellack verschüttet. Meine Güte, ich habe mich verändert, seit ich das letzte Mal in einen anständigen Spiegel geblickt habe!« Jo lachte. »Ich muss mir die Haare schneiden lassen!«
Dora trat hinter sie. »Ich erinnere mich, wie Karen und ich dein Make-up ausprobiert haben. Warst du damals eigentlich wütend?«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass ich es je herausgefunden hätte. Ihr könnt nicht viel Schaden damit angerichtet haben.«
»Einmal ist uns ein Lippenstift abgebrochen.«
Jo lachte abermals. »Oh ja. Er war leuchtend rot und ist eine Ewigkeit auf den Handtüchern geblieben. Am Ende musste ich sie färben.«
Dora blickte beschämt drein. »Das tut mir so leid! Wie ärgerlich!«
»Ganz und gar nicht. Ich stand damals auf Färben. Also, was hat er noch gleich gesagt, in welchem Schrank wir nachsehen müssen?« Sie öffnete zuerst einen der Einbauschränke, dann einen anderen, bis alle offen standen. »Hm, hier sind sie nicht. Wo könnten sie sonst noch sein?« Sie nahm einen Kleiderbügel heraus, an dem ein rechteckiges Stück schwarzen Leders hing. »Die Perle muss winzig sein.«
»Hast du sie nicht kennengelernt?«
Jo schüttelte den Kopf. »Philip wollte mir ein Foto auf seinem Handy zeigen, aber ich habe nicht hingesehen. Er meinte, sie sei genauso wie ich, als ich jung war. Ich wollte den Unterschied zu meinem heutigen Ich nicht sehen müssen.«
»Du siehst zauberhaft aus.«
»Diese Größe hatte ich nie«, widersprach Jo und hängte das Stück Leder zurück. »Okay, lass uns nachsehen, ob meine Kleider im Gästezimmer sind. Oh«, fügte sie einen Moment später hinzu, nachdem sie durch den Flur gegangen waren. »Wie langweilig. Ich hatte so eine hübsche Tapete hier drin, sie war schrullig und bunt. Jetzt ist es einfach – plüschig. Ich weiß nicht, warum, aber es hat mir noch nie gefallen, wenn die Tapeten, die Vorhänge und die Bettwäsche zusammenpassten, und auf diesem Zeug sind einfach zu viele Rosen.«
»Ich glaube, ich stehe auch nicht besonders auf diese Kombination«, meinte Dora. »Tatsächlich scheint Samantha – ist das ihr Name? – einen ziemlich altvorderen Geschmack zu haben. Sind das deine Kleider? In diesen Mülltüten?«
Jo schien es recht ruhig aufzunehmen, dass man ihre Besitztümer in Säcke gestopft hatte. Sie öffnete einen. »Ja. Ich muss sagen, da ich all meine Winterkleider mitgenommen habe, hätte sie diese ruhig im Kleiderschrank lassen können.«
Dora zog ein Sommerkleid hervor. »Sie sind schrecklich zerknittert. Gibt es auf dem Boot ein Bügelbrett?«
»Ich glaube nicht. Bisher habe ich keins gebraucht. Ich hatte früher eine wunderbare Frau, die meine Bügelwäsche für mich
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