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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Drogenproblemen munkeln gehört.“
    „Ich auch. Es war nichts Ernstes. Franzi war ein ausgeflipptes Huhn. Jedenfalls hat sie einen schlechten Ruf gehabt. So was hat man hier auf dem Land sehr rasch. In letzter Zeit ist es ihr angeblich besser gegangen. Aber ich dürfte eigentlich nicht mit dir über Franzi reden.“
    „Und was macht Willi?“
    „Wir treffen uns manchmal zufällig auf der Straße, grüßen uns natürlich, haben uns aber kaum mehr was zu sagen. Unser Leben ist zu unterschiedlich verlaufen. Er ist ein alter Junggeselle, ein bisschen eigenbrötlerisch, schreibt angeblich Mundartgedichte. Ich habe hingegen früh geheiratet. Ein Riesenfehler. Allerdings verdanke ich ihr, meiner Ex, meine ich, zwei wunderbare Söhne.“
    Ich ließ ihn reden. Selbst ein Chefinspektor braucht jemanden, bei dem er sich ausweinen kann. Als er sich beklagte, dass er seine geliebten Söhne seit der Scheidung kaum mehr zu Gesicht bekommen würde, hoffte ich, dass meine Miene Mitgefühl und Verständnis vermittelte. Die Kinder lebten mit ihrer Mutter in einem Haus in Vöcklabruck, das er gebaut hatte, während er in einer Mietwohnung in Linz ein typisches Junggesellenleben führte. Eine klassische Scheidungsgeschichte. Gustavs Redeschwall irritierte mich. Ich bildete mir ein, dass er als Junge ein sehr aufmerksamer Zuhörer gewesen war. Nichts als verklärte Jugenderinnerungen? Womöglich war er schon im zarten Alter von sechzehn ein Besserwisser und Vielredner gewesen?
    Mario warf mir fragende Blicke zu. Er schien nicht zu begreifen, warum ich mich mit diesem Bullen so gut verstand.
    Zu fortgeschrittener Stunde schlug Gustav vor, mich hinauf ins Schloss zu bringen. Sein Wagen stand am Parkplatz des Strandbades. Ein funkelnagelneues Audi TT-Cabrio.
    „Als Kriminalbeamter scheint man nicht gerade schlecht zu verdienen“, bemerkte ich spöttisch. „Oder ist das ein Dienstauto?“
    „Hast du unseren Dienstwagen gestern nicht gesehen? Die österreichische Polizei fährt die schlechtesten Autos der Welt. Uralte Rostschüsseln. Den Audi habe ich geleast.“
    „Für schöne Autos hattest du immer viel übrig.“
    „Nicht nur für schöne Autos.“ Er küsste mich leidenschaftlich, bevor wir einstiegen.
    Ich fühlte mich wie vierzehn. Er war der erste Mann, der mich je geküsst hatte. Als seine Hände meinen Rücken entlang wanderten und auf meinem Hintern Halt machten, löste ich mich aus seiner Umarmung. Ich wollte nicht mit ihm schlafen. Ich schlief nicht mit Männern, die mich kritisierten. Und diesen Fehler hatte er an diesem Abend nun einmal begangen. Jan Serner war der einzige, dem ich erlaubte, mich zu kritisieren. Aber auch auf seine Kritik reagierte ich meistens sehr unwirsch.
    Gustavs Leidenschaft war leicht abgekühlt, als er mich hinauf zum Schloss brachte. Die Räder seines Audis drehten auf dem steilen Stück durch. Er fluchte über die „Scheiß-Schotterstraße“.
    „Vielleicht solltest du dir ein gescheiteres Auto kaufen“, sagte ich boshaft. Da ich nicht vorhatte, den Herrn Chefinspektor ernsthaft zu verärgern, legte ich nach diesen Worten rasch meine Hand auf seinen Oberschenkel. Sogleich griff er danach, drückte sie fest und schaute mir in die Augen, anstatt auf die Straße.
    „Aufpassen“, schrie ich im selben Moment, in dem wir mit dem rechten Vorderrad im Graben landeten.
    Fluchend sprang er aus dem Wagen.
    Mein Lachanfall erschien mir selbst etwas unpassend. Schuldbewusst half ich ihm, die kleine Kiste wieder auf die Straße zu heben. Zum Glück war der Audi unversehrt. Gustav vergewisserte sich mit Hilfe einer Taschenlampe, dass er keine Schrammen abbekommen hatte.
    Ich bestand darauf, die letzten Meter bis zum Schloss zu Fuß zu gehen, und empfahl ihm, den Wagen zurückrollen zu lassen. Einem Mann durfte man beim Autofahren nicht dreinreden. Das hätte ich wissen müssen. Gustav setzte mich direkt vor dem Eingang des Schlosses ab.
    Mir war nicht mehr zu helfen. Auch heute konnte ich, obwohl ich todmüde war, nicht einschlafen. Das Knarren und Ächzen der morschen Balken und das Knistern und Prasseln des Feuers ließen nicht zu, dass ich mich entspannte. Ich löschte das Feuer im Kamin mit einem Kübel Wasser. Eine störende Geräuschkulisse weniger. Doch die Stille machte mir erst recht zu schaffen. Als Großstadtkind an einen gewissen Lärmpegel gewöhnt, reagierte ich auf Stille prinzipiell mit Unbehagen. Eingesperrt hinter den dicken Mauern des alten Schlosses, vernahm man nicht einmal das

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