Glücksboten
Felicity zwar möglicherweise würde überreden können, sie ein recyceltes Kleid tragen zu lassen, ihre Strumpfhose würde jedoch perfekt sein müssen. Außerdem würde sie Kittys Sachen vielleicht nach einem Unterrock durchstöbern müssen, da sie selbst keinen besaß.
Das Kleid hing an einem Kleiderbügel in einem Schrank, der in einem der Zimmer stand, die sie für Gäste hergerichtet hatte. »Da ist es. Mir hat es immer gefallen, aber als ich versuchte, es Kitty abzuschwatzen, sagte sie, ich könne es bei ihrer Beerdigung tragen, wenn ich wolle, aber ansonsten sei es einfach unaussprechlich schaurig. Ich finde, es steht mir ganz gut.«
Ihre Mutter seufzte. »Nun, dann zieh es an und lass mich mal sehen.«
»Du wärst nicht vielleicht so nett und könntest nachsehen, ob Thomas schon aufgestanden ist? Ich sehne mich so nach einer Tasse Tee.«
Mrs Dylan eilte aus dem Raum und erklärte, ihr sofort einen Tee zu bringen. Warum sie nicht schon vorher etwas gesagt habe? Während Felicity sicher aus dem Zimmer war, zog Perdita sich hastig aus und schlüpfte in das Kleid, bevor ihre Mutter den Zustand ihrer Unterwäsche sehen und eine Bemerkung darüber verlieren konnte.
Felicity kam mit einem Becher Tee nach oben, sah Perdita in dem Kleid und schwieg. Das Kleid war aus einem extrem feinen Material gemacht und mit Seide gefüttert. Es hatte eine hohe Taille und reichte ihr bis knapp über die Knöchel. Es hatte einen breiten, flach gerundeten Ausschnitt sowie einen Spitzenbesatz, und die Ärmel lagen bis zu den Ellbogen eng an und gingen dann trompetenförmig auseinander.
»Liebling, das ist einfach wunderbar. Ich frage mich, wann Kitty es wohl getragen haben mag«, sagte Felicity schließlich.
»Sie wollte es mir nicht verraten, daher vermute ich, dass sie etwas höchst Ungehöriges darin getan hat.« Perdita stellte sich vor den Spiegel. »Das ist einer der Gründe, warum ich es tragen möchte. Ich möchte ein wenig von Kittys junger und verderbter Vergangenheit dabeihaben, nicht nur die kleine alte Dame.«
»Ich muss zugeben, es sieht wirklich umwerfend aus. Aber ob es passend für eine Beerdigung ist?«
»Warum sollte es das nicht sein? Es ist schwarz, elegant, und ich bin mir sicher, es war sündhaft teuer.«
»Komm mit nach unten und zeig dich deinem Vater. Ich finde ja immer noch, ein Kostüm wäre besser.«
Ihr Vater las die Zeitung. »Edward, findest du dieses Kleid nicht völlig unpassend für eine Beerdigung? Ich meine, Perdita sieht himmlisch darin aus, aber meinst du nicht, es wäre ein bisschen ... hm, übertrieben?«
Edward Dylan blickte auf. »Sie sieht fantastisch aus. Tatsächlich kann ich mich nicht erinnern, sie seit ihrem Hochzeitstag so hübsch gesehen zu haben.«
Perdita lächelte. »Es ist offensichtlich mein Schicksal, nur bei tragischen Anlässen gut auszusehen.«
Perdita, die hutlos und frierend in ihrer ungewohnten Kleidung dastand, distanzierte sich von dem Anlass, in dem sie die Blumen bewunderte. Die Dame aus der Gemeinde hatte zwei riesige Arrangements gefertigt. Sie waren ungezwungen, beeindruckend und gerade eine Spur exzessiv, aber da all die dazu verwandten Blumen entweder wild oder in einem Garten gezogen worden waren, hätte Kitty das Ganze wunderbar gefunden. Unaufrichtige Raffinesse war nie ihr Fall gewesen.
Ihr eigenes Arrangement auf dem Sarg erfüllte Perdita mit einer gewissen Befriedigung. Alles, was sie an künstlerischer Begabung jemals besessen haben mochte, hatte sie darauf verwendet. Selbst ihre Mutter war beeindruckt gewesen. »Wenn dich die Gemüse langweilen, könntest du dich jederzeit auf Floristik verlegen«, hatte sie erklärt. Das Glanzstück ihrer Arbeit waren die Miniaturkohlköpfe an Drähten, die wie winzige, grüne Rosen aussahen. Kitty hätte gesagt, sie seien zu jung zum Sterben, und es sei Verschwendung, essbare Pflanzen in Arrangements einzubinden, wo sie nicht gegessen werden würden. Nun, dein Problem, Kitty, dachte Perdita. Wenn du so starke Gefühle diesbezüglich hast, hättest du eben nicht sterben sollen.
Als Lucas sich erhob, um zu sprechen, konnte Perdita vor Nervosität kaum noch atmen. Sie war nicht nur um seinetwillen nervös, sondern weil sie ihn furchtbar im Stich gelassen hatte, was das Verfassen seiner Rede betraf.
Nachdem sie eine Ewigkeit mit der Rede gekämpft hatte, hatte Perdita es schließlich aufgegeben. Sie hatte Lucas lediglich ihre vielen gescheiterten Versuche überlassen und so viele Tatsachen über Kittys
Weitere Kostenlose Bücher