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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Blick folgte den Drähten nach oben, immer weiter, in unermessliche Höhen, und ich beugte mich dabei so weit zurück, dass ich beinahe nach hinten gekippt wäre.
    Ich hatte mich gerade wieder aufgerichtet, als jemand rief: »Hier kommen die Unterteile.«
    Drei aus Federn gefertigte Hosen wurden von einer eifrigen kleinen Armee hereingetragen, Assistenten halfen den Laddz beim Ankleiden.
    »Ich hab einen Horror vor Federn«, erklärte Frankie einer Kostümfrau, »eine irrationale Angst.«
    »Ach je, aber was sollten Federn einem denn antun?« Die Kostümfrau klang warm und verständnisvoll.
    »Es ist eine irrationale Angst.« Seine Stimme war hoch und schrill. »So ist das mit irrationalen Ängsten. Sie sind irrational! «
    Jay Parker stand plötzlich neben mir. Ich spürte seine Anspannung. »Wo ist Wayne?«, fragte er.
    »Ich arbeite dran«, sagte ich. »Ich muss allen dreien eine Frage stellen.«
    »Warte noch ein paar Minuten«, sagte er. »Sie probieren die Kostüme zum ersten Mal. Wir wollen …«
    Aus dem Nichts tauchte Zeezah plötzlich auf, in extrem engen gelben Jeans – gelbe Jeans? –, und wandte sich hierhin und dorthin, schwang ihr schwingendes Haar, stülpte ihre Schmolllippen vor und war den Laddz mit ihren Federhosen behilflich. Sie fuhr mit den Händen an John Josephs Beinen entlang und glättete die Federn in einer mütterlich anmutenden Geste. Weiter zu Roger St Leger, und vor meinen erstaunt aufgerissenen Augen fasste sie ihm ans Gemächt und drückte zu, so schnell und ungeniert und auch schon vorbei, dass ich mich fragte, ob es wirklich geschehen war. Schockiert sah ich zu Jay hinüber, dann zu den anderen in meiner Nähe, doch anscheinend hatte niemand etwas bemerkt.
    Hatte ich es mir eingebildet? Fing ich an, Dinge zu sehen, die nicht da waren?
    Zeezah war jetzt bei Frankie, der ihr voller Anspannung von seiner Angst vor Federn erzählte.
    »Sei stark«, sagte sie und verrückte seinen Hosenbund um einen Millimeter oder zwei. »Sei ein Held.«
    Endlich hatte Zeezah ihre Hilfeleistungen beendet und trat zurück, und wir sahen uns der unvermeidlichen Wahrheit gegenüber: Die Laddz sahen nicht wie Schwäne, sondern wie Schneemänner aus. Mit ihren nackten Beinen hatten sie verletzlich und bedauernswert gewirkt, doch jetzt war ihr Anblick viel schlimmer.
    »Herr im Himmel.« Jay schluckte hart. »Du machst dir keine Vorstellung, was diese Kostüme gekostet haben.« Er warf die Schultern zurück und rief zu der Kostümfrau hin über: »Lottie, bring die Flügel an.« Mit leiser Stimme sagte er zu mir: »Wenn die Flügel dran sind, sehen sie besser aus.«
    Drei Paar enorm großer Flügel wurden auf die Bühne ge tragen, und Lottie und ihre Gehilfinnen machten sich daran, sie an den Kostümen der drei Laddz zu befestigen.
    Ein viertes Paar Flügel lag an der Seite. Die für Wayne, wurde mir klar. Ich musste ihn wirklich finden. Oder auch nicht. Wäre es nicht besser, ihn vor alldem hier zu bewahren?
    Aber ich stieß den Gedanken zurück, ich gestattete mir nicht, ihn zu denken. Denn wenn ich die Suche nach Wayne aufgab, würde ich vielleicht verrückt.
    »Heute hören wir so gegen fünf auf«, sagte Jay zu mir. »John Joseph lädt zum Grillen ein. Er sagt, wir brauchen alle eine Erholungspause und ein Bier und eine Unterbrechung des Kohlehydratverbots. Du sollst auch kommen. Bei der Gelegenheit könntest du mit Roger und Frankie über Wayne sprechen.«
    »Woher weiß er, dass sie da sein werden?« Roger St Leger schien mir eher der Typ, der seine kostbare Freizeit in einem Verlies verbrachte, wo er mit Handschellen an die Wand gekettet war und sich bei einem kleinen autoerotischen Erstickungsspiel erholte, und nicht mit dem Verzehr halb roher Hühnerflügel und im Gespräch über Rasenmäher.
    »John Joseph sagt, sie müssen kommen«, sagte Jay. »Er meint, so kurz vor dem ersten Konzert muss man ›die Energie konservieren‹.«
    »John Joseph gestattet ihnen ein bisschen Freizeit, aber in dieser Freizeit müssen sie zu seinem Grillfest kommen? Ganz schön machtgeil, oder?«
    »Er versucht eben, die Truppe zusammenzuhalten«, sagte Jay knapp. »Einen Mann haben wir schon verloren.«
    »Mmm«, machte ich. Mir war nicht klar, ob John Joseph einfach nur machtbesessen war oder ob er in irgendwelchen üblen Geschäften mitmischte. Seine Weigerung, mir Birdie Salamans Handynummer zu geben, war so passiv-aggressiv gewesen. Und er hatte sehr merkwürdig reagiert, als ich nach Gloria fragte. Zeezah auch.

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