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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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langer, ereignisreicher Tag gewesen, sodass ich noch keine Zeit gehabt hatte, mit Artie zu sprechen. Er hatte angerufen, aber keine Nachricht hinterlassen. Ich hatte zurückgerufen, aber er hatte die Mailbox angeschaltet, also schrieb ich eine kurze Nachricht, um zu sagen, dass alles in Ordnung sei und er mich jederzeit anrufen könne.
    Dann suchte ich Antonia Kellys Telefonnummer auf meinem Handy, starrte sie lange an und überlegte, ob ich sie wirklich wählen sollte. Was, wenn sie abnahm? Was würde ich ihr sagen? Sie wüsste, dass ich nicht zum Plaudern anrief.
    Mein Finger schwebte ewig über der Taste, und plötzlich drückte er darauf.
    »Antonia Kelly.« Einen Moment glaubte ich, sie sei dran, dann merkte ich, dass es ihr Anrufbeantworter war. Sie hatte eine sehr schöne Stimme, die Stimme einer Frau mit einem schwarzen Auto und einem ausgezeichneten Geschmack bei Halstüchern. »Bitte hinterlassen Sie Ihren Namen und Ihre Telefonnummer, und ich rufe Sie so schnell wie möglich zurück.«
    Leg auf, leg auf, leg auf …
    »Antonia … eh, Helen hier, Helen Walsh. Könnten Sie mich bitte irgendwann anrufen …?«
    Ich schaltete ab. Wer weiß, wann sie zurückrufen würde. Die Nummer, die ich hatte, war die von ihrem Handy, aber ich nahm an, dass es nicht ihr Privattelefon war und sie es abschaltete, wenn sie die Praxis verließ. Wahrscheinlich hörte sie meine Nachricht nicht vor morgen früh.
    Ich hatte für den Anruf alle meine Kraft zusammennehmen müssen, und die Enttäuschung, nicht mit ihr sprechen zu können, riss einen riesigen Abgrund in mir auf.
    Um meine Gefühle in Schach zu halten, ging ich nach unten und sah mir Waynes riesige CD-Sammlung an, weil ich vage hoffte, irgendeinen nützlichen Hinweis zu finden, was aber nicht der Fall war. Also schaltete ich sein SkyPlus an. Zu meiner Überraschung (von der enttäuschenden Sorte) mochte er Sendungen mit Fernsehköchen – Jamie Oliver, Hairy Bikers, Nigel Slater und Konsorten. Nichts für mich. Ich ging die Liste durch, nichts erregte meine Aufmerksamkeit, bis ich auf Bored to Death stieß, eine ausgezeichnete Comedy-Serie um einen Privatdetektiv in Brooklyn. Ich sah mir eine Folge an, obwohl ich sie schon kannte, und wollte gerade mit der nächsten Folge anfangen, als mir bewusst wurde, dass es so aussehen könnte, als täte ich das hier nur zu meinem Vergnügen. Also zwang ich mich, damit aufzuhören.
    Ich sah nach, ob Artie zurückgerufen hatte, was nicht der Fall war. Inzwischen war es schon fast Mitternacht. Das war ein bisschen seltsam, denn normalerweise telefonierten wir mehrere Male am Tag miteinander, und heute hatten wir nicht ein einziges Mal miteinander gesprochen. Ich hatte immer noch das Gefühl, dass das unbefriedigende offene Ende von gestern zwischen uns stand, aber ich konnte jetzt nichts tun, es war zu spät, also nahm ich eine Schlaftablette und machte es mir mit einem Kissen unter dem Kopf auf dem Fußboden in Waynes Wohnzimmer bequem.
    Ich fiel in einen unguten Schlaf, und mein letzter bewuss ter Gedanke war: Morgen kommst du nach Hause, Wayne.
    Irgendwann wachte ich schlagartig und mit mörderischen Kopfschmerzen auf. Es wurde bereits langsam hell, aber als ich auf meinem Handy nachsah, war es erst 3.24 Uhr. Mein Gott. So ging es meistens: Die Schlaftabletten wirkten die ersten paar Nächte prima, dann ließ die Wirkung von Tag zu Tag mehr nach.
    Es war zu früh, um in diesen Dienstagmorgen zu starten. Ich konnte es nicht ertragen. Ich hielt das nicht aus. Ich musste etwas tun.
    Ich konnte noch eine Tablette nehmen – was ich allerdings besser bleiben lassen sollte –, oder ich konnte mir die nächste Folge von Bored to Death ansehen, oder ich konnte zu Artie fahren. Da hätte ich den Trost seines Körpers, seiner Wärme, seines guten, männlichen Geruchs.
    Die Entscheidung war gefallen, ich stand auf, schluckte meine letzten Schmerztabletten und fuhr durch die leeren Straßen. Nur wenige Häuser von Arties entfernt fand ich einen Parkplatz.
    Leise schloss ich die Tür auf und ging auf Zehenspitzen die Treppe rauf. Das perlgraue Morgenlicht drang schon durch die Ritzen. Als ich oben ankam, wäre ich beinahe mit einer Person zusammengestoßen: Vonnie!
    Ich starrte sie mit offenem Mund an. Dies war ein Moment, in dem ich nicht in der Lage war, einen der lockeren Sprüche zu bringen, die wir einander sonst zuwarfen. Sie konnte es auch nicht. In dem grauen Licht sah sie so schockiert aus, wie ich mich fühlte.
    Sie trug ein

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