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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Mindestlohn bekommen, und sie kam bestimmt aus einem anderen Land, war also weit weg von Freunden und Familie. Wahrscheinlich aus Polen. Ich beschloss, dass sie Magda hieß.
    Zimmermädchen zu sein war immer ein beschissener Job. Die Mädchen wurden gerne als verfügbarer Teil der Zimmereinrichtung betrachtet, besonders von Geschäftsleuten, die »versehentlich« das Badetuch fallen ließen und ihr Geschlecht, das die Form einer Petersilienwurzel hatte, enthüllten. Ich wollte Magda auf jeden Fall vor einem lebenslangen Trauma, das durch den Anblick meiner Leiche in der Badewanne ausgelöst würde, bewahren. Es durfte nicht sein, dass die Erleichterung, die mein Ableben für mich selbst bedeutete, vom Universum als Gelegenheit benutzt würde, meinen Horror auf einen anderen Menschen zu übertragen, so als lebten wir in einer Art höllischem Staffellauf.
    Ich sann auf Wege aus dem Dilemma. Natürlich würde ich die Badezimmertür von innen verriegeln, aber vielleicht könnte sie trotzdem reinkommen. Am sichersten war es vielleicht, ein Warnschild zu schreiben und mit Tesa film an die Tür zu kleben. » STOPP «, würde ich schreiben, in großen schwarzen Buchstaben. Ich überlegte, was »Stopp« auf Polnisch hieß. Müsste ich bei Google nachsehen. Ich würde also schreiben:
    STOPP!
    KOMMEN SIE BITTE NICHT HEREIN.
    ICH HABE MICH UMGEBRACHT.
    SIE KRIEGEN DAVON EIN TRAUMA.
    Vielleicht sollte ich die Schilder auf Englisch und Polnisch schreiben. Und ich würde Geld hinlegen, für die Spezialreinigung des Badezimmers.
    Ich blickte aus dem Autofenster, und als wäre es ein Zeichen des Himmels, entdeckte ich wenige Meter von der Eisenwarenhandlung entfernt einen Schreibwarenladen.
    Ich ging hinein und kaufte Tesafilm, einen dicken Marker und eine Packung DIN-A4-Papier – eintausend Blatt war die kleinste Packung, die sie hatten. Als ich wieder im Auto saß, steckte ich das Messer zu den anderen Dingen in meine Tragetüte, die ich auf dem Schoß festhielt. Sie hatte ein angenehmes Gewicht, und ich musste an die Tasche denken, die eine Schwangere fürs Krankenhaus packt, wenn sie zur Entbindung geht.
    Jetzt brauchte ich nur noch die Betäubungscreme, die im Haus meiner Eltern war, dann hätte ich alles beisammen.

63
    I n einem seltsamen Anfall von Selbstbestrafung fuhr ich zum MusicDrome, wo das übliche Chaos herrschte. Dut zende von Menschen liefen zielstrebig auf der Bühne umher, John Joseph, Roger, Frankie und Jay wurden von dem Choreografen angeleitet, der ihnen im Stakkatoton Anweisun gen zurief: »… zwei, drei, Drehung . Und rückwärts . Und Schritt . Und Schritt . Und Drehung . Und Stopp . Und Shimmy . Lächeln, John Joseph, kommen Sie, ein kleines Lächeln.«
    Es sah gar nicht schlecht aus. Sie bewegten sich geschmei dig und leichtfüßig, sie waren wendig und witzig, sie gaben sich richtig Mühe.
    Spielten herum, während Rom brannte.
    Als sie mich erblickten, blieben alle vier auf der Stelle stehen und sahen mich an, wie aufgeschreckte Rehe, jämmerlich, hoffnungsvoll. Ich schüttelte den Kopf. »Keine Neuigkeiten.«
    Ich rechnete fast damit, dass John Joseph sich wieder auf mich stürzen würde, aber er nickte nur. Anscheinend hatte er sich abgefunden – nicht ungewöhnlich für Menschen, die vor einer Katastrophe standen. Vielleicht empfing er Trost aus seinem katholischen Glauben. Dann hätte ich beinahe angesichts meiner eigenen Naivität gelacht. Es war natürlich die Xanax von Roger St Leger, die verhinderte, dass er mir mit Schaum vor dem Mund das Gesicht zerkratzte.
    Jay löste sich aus der Gruppe. Jemand warf ihm ein Hand tuch zu, mit dem er sich den Schweiß vom Gesicht wischte. Er kam zu mir. Das weiße Hemd klebte an seinem schmalen Oberkörper. »Helen, sag mal, was meinst du? Du hast sie am Samstag in den Schwanenkostümen gesehen. Sollen wir sie behalten oder nicht?«
    »Keine Schwanenkostüme«, sagte ich. »Macht es schlicht.«
    »Helen sagt, keine Schwanenkostüme«, rief er den Männern zu.
    »Dann machen wir damit weiter«, sagte John Joseph und grinste mich triumphierend an. Offensichtlich hatte die Xanax seine Stimmung nicht verbessert, ekliger Typ.
    Jay sagte leise zu mir: »Wir machen es ohne, die sind wirklich das Letzte.« Er steckte die Hand in die Hosentasche, zog ein Bündel Geldscheine hervor und gab es mir. Eine schwarze Haarsträhne, glänzend vor Schweiß, fiel ihm in die Stirn.
    »Also«, sagte er, »keine Neuigkeiten von dem Telefonmann?«
    »Noch nicht. Später. Hat

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