Glückskekssommer: Roman (German Edition)
verstehe nur Bahnhof. Jens’ halber Satz wird verschluckt, weil das Milchaufschäumen so einen Krach macht. Ja, ja! Ich habe keine Lust nachzufragen, was er gesagt hat. Wird schon nicht so wichtig sein. Mich zieht es in den Laden. Die Spachtelmasse müsste jetzt trocken sein. Dann kann ich streichen, sauber machen, die Blümchen wieder ins Fenster stellen und hoffen, dass die Sonne scheint, wenn Frau Sonnenmann morgen früh aufschließt.
Ich habe beschlossen, ihr ein schönes Schild für das Schaufenster (das seinen Namen dann wieder verdient) zu schenken:
›Margret Sonnemann
Schneidermeisterin‹
Das stellen wir zwischen die Scheffleras. Ich wette, bald strömen noch mehr Kunden ins Geschäft. Nachher werde ich Rob fragen, ob er mir einen schönen Rahmen baut – einen aus sägerauem Holz, den ich weiß beizen werde, aber so, dass man das Naturholz noch erkennen kann. Edel!
Mein Rob! In ein paar Stunden werde ich ihm in die Arme sinken und ihn niemals wieder so lange vernachlässigen, wie ich es in den letzten Wochen getan habe. Wenigstens hat sich Lila nett um ihn gekümmert. Sie ist schon ein Schatz, auch wenn sie in letzter Zeit ziemlich launisch ist.
Als ich über die Straße husche, kracht der erste Donnerschlag. Zwei Minuten später fängt es an zu regnen. Ich mische die weiße Farbe mit sonnengelber Abtönpaste, bis mir der Farbton gefällt. Schön ist es, im Trocknen zu sitzen, wenn draußen die Elemente toben. Ich singe vor mich hin und streiche, singe und streiche, bis sich ein rhythmisches leises Klopfen in mein Bewusstsein drängt. Wahrscheinlich tropft der Regen auf die Markise vom Lottoladen nebenan herunter. Ich lausche angestrengt. Draußen strömt der Regen. Erstaunlich, wie viel Wasser so vom Himmel fallen kann, begleitet von Blitz und Donnerschlag. Also von Tropfen kann keine Rede sein.
Aber es tropft trotzdem. Ich höre es ganz genau. Ich stehe auf und beäuge misstrauisch das halb fertige Schaufenster. Nichts zu sehen. Als ich nach oben gucke, macht es plitsch. Genau auf meine Stirn und dann noch mal plitsch und noch mal. Verdammt! Es regnet rein. Mitten in mein schönes, fast fertiges, frisch von finsteren Paneelen befreites Schaufenster.
Plitsch, platsch, plitsch, platsch …
Der Rhythmus geht vom gemütlichen Walzertakt in ein schnelles Trommeln über.
Ich gerate langsam in Panik. Und dann geht mir ein Licht auf. Was hatte die Kundin vorhin gesagt? Ich soll auf das Fenster aufpassen? Sie wusste was. Und ich wollte nicht zuhören. Das hab ich nun davon.
Im Schaufenster sammeln sich die Tropfen zu einer ansehnlichen Pfütze. Ein großes Gefäß muss her, aber dalli, bevor das Wasser auf den Boden rinnt und (noch schlimmer!) meine frisch gestrichene Wand hinunter. Im Bad schnappe ich mir meinen Putzeimer und stelle ihn unter die tropfende Stelle.
Plitsch, platsch, plitsch, platsch. Das Geräusch macht mich fertig.
Ich wähle Frau Sonnemanns Handynummer, aber sie geht nicht ran.
Fünf Minuten später ist der Eimer halb voll und eine weitere Stelle wird undicht. Ich bedrohe den Himmel mit meiner Faust und suche fieberhaft nach weiteren Gefäßen. Außer unseren Kaffeetassen findet sich nichts. Ich muss Hilfe holen. Also nichts wie rüber zu den Jungs. Es sind nur 20 Meter über die Straße, aber ich bin klatschnass, als ich ankomme.
»Ich brauche einen Eimer«, schreie ich.
Im vorderen Teil des Cafés verstummen die Gespräche. Alle starren mich an. Ist das peinlich! Vor allem, weil ich nass, dreckig und farbfleckig bin.
»Warum hast du den nicht gleich mitgenommen?«, fragt Jens und mixt seelenruhig irgendeinen quietschgrünen Cocktail.
»Woher sollte ich denn wissen, dass ich einen Wasserfall in der Werkstatt habe, wenn es regnet?«
»Weil ich es dir vorhin gesagt habe.«
»Hast du nicht.«
»Habe ich doch. Und jetzt schnapp dir den Eimer und sieh zu, dass du rüberkommst.«
»Wow, Wet-T-Shirt-Look«, sagt ein Kerl, der am Ausgang sitzt, und starrt auf meine Brüste. »Heiß!«
Ich werde knallrot und verschwinde so schnell, wie ich kann.
Die Kaffeetasse läuft gerade über, als ich mit dem Eimer zum Fenster hechte. Mein Putzeimer ist auch fast voll. Ich könnte heulen, aber da schon so viel Wasser vom Himmel fällt, spare ich meine Vorräte und versuche lieber herauszufinden, wo die Ursache der Überschwemmung liegt. Ich drücke meine Nase an der Scheibe platt, kann aber nichts sehen. Da klopft es ans Fenster. Vicki steht draußen unter einem XXL-Schirm. Sie zeigt auf
Weitere Kostenlose Bücher