Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glückskind (German Edition)

Glückskind (German Edition)

Titel: Glückskind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Uhly
Vom Netzwerk:
beruhigen.
    Mit Felizia auf dem Arm schließt er seine Wohnungstür auf. »Bitte kommen Sie herein«, sagt er zu Frau Tarsi, die seine Einkaufstüten vom Boden hebt und ihm bereitwillig folgt.
    »Ich glaube, wir brauchen jetzt beide einen Kaffee, nicht wahr?«, sagt sie und beginnt sogleich, die Espressokanne aufzuschrauben und auszuwaschen. Hans legt Felizia auf den Tisch, aber sie will nicht dort liegen und schreit, so dass er nur schnell seinen Mantel able gen kann. Dann sitzt er mit ihr im Arm und fühlt sich mit einem Mal so schwach, als hätte jemand die Luft aus ihm gelassen. Er sagt: »Es tut mir leid, dass Sie lügen mussten. Ich wollte schneller wieder zu Hause sein, aber es hat alles so lange gedauert.«
    Frau Tarsi starrt ihn kurz an, als wäre sie überrascht. Sie sagt: »Sie waren eine halbe Stunde fort, keine Minute länger!« Sie seufzt. »Als dieser junge Schnösel vor mir stand, konnte ich ihm die Kleine nicht geben. Gott ist mein Zeuge: Ich habe versucht, die Wahrheit zu sagen. Aber es ging nicht!«
    Hans lacht auf, vor Erleichterung und Dankbarkeit. Er sagt: »Entschuldigung, dass Sie unseretwegen gesündigt haben!«
    Sie schüttelt den Kopf. »Nein«, sagt sie und lächelt ihn sanft an. »Gott versteht alles. Auch dies.«
    Hans vergeht das Lachen. Er schaut sie an. Er sagt: »Sie haben einen netten Gott.«
    Frau Tarsi lächelt wieder und sagt: »Ja, er ist nett, mein Gott. Genau so nett wie ich.« Sie setzt sich zu ihm an den Tisch und schaut ihm fest in die Augen. Sie sagt: »Halten Sie das durch, was Sie da tun?« Hans schüttelt langsam den Kopf. »Ich weiß es nicht«, sagt er leise. »Aber es geht mir wie Ihnen: Ich kann sie nicht hergeben. Nicht der Polizei. Mir fehlt das Vertrauen, dass es ihr gut gehen wird.«
    Sie nickt. »Das kann ich verstehen, glauben Sie mir.« Sie lächelt kurz, dann sagt sie: »Aber wenn der junge Schnösel das Baby nicht findet, wird er die Mutter weiter unter Druck setzen. Er wird glauben, dass sie schon wieder lügt. Und die Mutter wird dann wissen, dass jemand ihr Kind aus dem Müll gezogen hat und dass es wahrscheinlich nicht tot ist!«
    Hans schaut sie überrascht an. Daran hat er noch gar nicht gedacht. »Aber das ist doch gut!«, ruft er aus.
    Frau Tarsi wiegt den Kopf. »Natürlich ist es gut. Aber früher oder später wird auch die Polizei diesen Gedanken haben.« Sie lehnt sich zurück und verschränkt die Arme vor der Brust, als wolle sie sich wappnen. Sie sagt: »Sie werden wiederkommen.«
    Der Kaffee kocht hoch, Frau Tarsi steht auf und stellt die Kanne vom Herd. Hans sitzt da und schaut Felizia zu, wie sie Frau Tarsi zuschaut, die jetzt zwei Tassen auf den Tisch stellt. Seine Gedanken verlieren sich im Unbewussten und tauchen daraus wieder hervor als ein Gefühl der Wehmut.
    Als Frau Tarsi den dampfenden Kaffee einschenkt und Felizia große Augen macht, sagt Hans: »Ich war kein guter Vater, wissen Sie.«
    Frau Tarsi setzt sich ihm gegenüber, genau so haben sie schon einmal hier gesessen, vor zwei Tagen, aber seitdem ist so viel geschehen, dass Hans das Gefühl für die Zeit verloren hat. Er starrt in den Kaffeedampf und sagt: »Ich habe meinen Kindern misstraut, anstatt ihnen zu vertrauen, ich habe ihre Gehorsamkeit zur Bedingung für meine Liebe gemacht. Aber in Wahrheit habe ich bloß Angst gehabt, dass sie mich nicht lieben.« Er schüttelt den Kopf. Er atmet tief durch. Er sagt: »Ich war gar kein richtiger Vater. Ich war nur ein Sohn seines Vaters, und dieser Sohn bekam Kinder und spielte Vater wie ein Kind Vater spielt.« Er schließt die Augen und atmet tief durch. Als er sie öffnet, schaut Frau Tarsi ihn so mütterlich an, als wäre er ihr Sohn.
    Sie sagt: »Das haben Sie sehr schön gesagt.«
    Hans ist verdutzt, aber da lacht sie schon und er lacht mit, obwohl es gar nichts zu lachen gibt. Es tut trotzdem gut. Sie trinken ihren Kaffee. Dann erinnert Frau Tarsi ihn daran, dass ihre Tochter samt Familie zu Besuch kommen wird. »Ich erwarte Sie morgen drüben bei uns zum Mittagessen«, sagt sie und Hans nickt artig. Sie steht auf und verabschiedet sich von Felizia. Sie säuselt ihr persische Worte zu und küsst sie und dabei kommt sie Hans ganz nah, so dass er ihren Geruch wahrnimmt, den Geruch einer Frau. Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass ihm das passiert, und es macht ihn verlegen. Plötzlich beugt Frau Tarsi sich vor und küsst ihn auf die Stirn. Sie erhebt sich, sie schaut von oben auf ihn herab und sagt: »Sie sind ein

Weitere Kostenlose Bücher