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Glückskind (German Edition)

Glückskind (German Edition)

Titel: Glückskind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Uhly
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spricht er nicht darüber, denn die Staatsanwaltschaft will Veronika Kelber endlich verurteilen und Herr Lindner weiß, wie seine Frau darüber denkt. Insgeheim ist er ihrer Meinung, aber die Sonderkommission, in der er arbeitet, hat eine klare Vorgabe vom Innenministerium erhalten, daran müssen sich alle halten. Wo käme man denn hin, würde man alles immer in Frage stellen?
    In diesen zwei Tagen ist das Wetter nicht gut, es stürmt und regnet, manchmal ist es bereits empfindlich kalt. Über Nacht sind die meisten Blätter braun und rot und gelb geworden, aber das Leuchten bleibt aus, weil die Sonne fehlt. Hans steht oft mit Felizia am Fenster und erzählt ihr von den Dingen, die man sehen kann. Er würde gerne hinausgehen mit ihr, aber seine Angst, entdeckt zu werden, ist zu groß.
    In diesen zwei Nächten hat Felizia nachts lange geweint, Hans hat sie auf dem Arm gehalten und gewartet, bis sie sich wieder beruhigte. In dieser Zeit hat er gebangt um den Schlaf der Nachbarn oben und unten. Und um Felizia selbst, denn er ist sich nun ganz sicher, dass etwas in ihr in Bewegung geraten ist, dass sie sich erinnert oder dass sie spürt, was bevorsteht.
    Er hat versucht, sich nichts vorzustellen, sich zu entspannen und nur für Felizia da zu sein. Aber es war schwer. Er hat wieder gemeinsam mit Felizia in der Mülltonne gelegen und auf ihre Mutter gewartet. Gemeinsam mit Felizia ist er wieder verzweifelt, und sein Herz hat geschrien und geweint. Gemeinsam mit Felizia ist er irgendwann erschöpft wieder eingeschlafen und hat geträumt. Er hat wieder genau gewusst, wo er liegt und träumt, er hat sich beim Schlafen zugeschaut, und als er sah, dass alles gut war, hat er sich abgewandt und ist zum Träumen gegangen. Über einen langen, geraden Feldweg ist er zum Träumen gegangen. Dort hinten am Horizont wartete sein Traum auf ihn, er musste nur immer weitergehen, dann würde er eines Tages ankommen. Zwei Nächte lang träumte er davon, dass er auf dem Weg zu seinem Traum ist, manchmal sah er linker Hand das rote Gebirge und rechter Hand den Fudschijama, jedes Mal hat er gewusst, dass er weder dahin noch dorthin will. Sein Traum liegt in einer anderen Richtung. Aber er ist nicht angekommen.
    In diesen zwei Tagen ist Herr Wenzel zu ihm gekommen und hat ihm gesagt, dass er seine Meinung geändert hat. Er hat gesagt: »Ich bin einverstanden.« Er hat gesagt: »Ich vertraue auf dein Urteil.« Sie haben gemeinsam zu Mittag gegessen, am ersten Tag bei den Tarsis, und diesmal fühlte es sich schon wirklich wie eine Familie an. Herr Wenzel hat einfach den ganzen Tag lang sein Geschäft geschlossen gelassen, und nach dem Essen sind er und Hans noch kurz spazieren gegangen, weil Felizia schlief und es zuließ. Aber wenn sie wach war, durfte niemand mehr sie auf den Arm nehmen außer Hans. So groß ist der Schatten, der über Felizia hängt, dass er sie jetzt schon erreicht hat, obwohl sie so schnell wie möglich wächst und obwohl sie so fröhlich ist, wie sie nur sein kann. Frau Tarsi hat sie mitleidig angeschaut und gesagt: »Wenn sie groß ist, wird sie sich ein Glück schmieden, mit Gottes Hilfe. Aber jetzt kann sie nichts tun.«
    Am zweiten Tag haben Hans und Herr Wenzel in Hans’ Wohnung gekocht. Herr Wenzel hat das Gemüse geschält und klein geschnitten und Hans hat eine Ratatouille mit Reis zubereitet, eines seiner früheren Gerichte. Während sie am Tisch gesessen und die letzten Reste verspeist haben, hat Hans gesagt: »Die Kinder liebten es nicht besonders, aber wenn es nichts anderes gab, aßen sie auch einmal etwas Gesundes.«
    Dann ist Herr Wenzel gegangen, weil der Laden ihn plötzlich zu sich rief, der Laden mit seinen alten Gewohnheiten, mit seinen Regeln und seiner Disziplin. »In meinem Alter muss man sich langsam lösen«, hat Herr Wenzel gesagt und ist zum Fahrstuhl gegangen. Hans hat sich Kaffee gekocht.
    Am Nachmittag des zweiten Tages ist der Brief per Einschreiben gekommen. Der Postbote hat an der Tür geläutet, Hans hat die schlafende Felizia bei den Tarsis in die pinkfarbene Wiege gelegt und ist hinuntergefahren. Er hat den Empfang mit seiner Unterschrift bestätigt und einen dünnen Umschlag entgegengenommen. Er ist mit dem Brief in der Hand stehen geblieben und hat dem Postboten geistesabwesend dabei zugeschaut, wie dieser die übrige Post in die verschiedenen Briefkästen steckte.
    Jetzt steht er immer noch dort, im Eingangsbereich seines Wohnhauses. Der Postbote ist längst fort, Hans hält den

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