Glücksspiel der Liebe
sollte.«
»Danke, Henry. Jetzt bin ich bereit.« Jonathon grinste und machte sich wieder auf den Weg, dann stockte er. »Henry, warst du jemals verhebt?«
»Verliebt? « Henry schüttelte den Kopf. » Noch nicht, Mylord, aber ich habe diese Möglichkeit für die Zukunft nicht vollkommen ausgeschlossen.«
»Ich auch nicht.«
Einen Augenblick bröckelte die gewohnte Gelassenheit des Butlers. »Sir, soll ich daraus schließen, dass Lady Chester...«
»Lieber Himmel, nein«, beeilte sich Jonathon zu sagen. »Zwar ist charmant und ich schätze sie überaus. Aber über diesen Abend hinaus interessiert sie sich ebenso wenig für mich wie ich für sie.«
»Dennoch kann ich mich nicht entsinnen, jemals eine Dame ein zweites Mal in die Bibliothek geleitet zu haben.«
»Ja, also...«
Seine Beziehung zu Judith war schwer zu erklären. Er war sich nicht einmal sicher, ob er selbst sie verstand. Über die Jahre hatten sie sich zu etwas mehr als Freunden entwickelt ohne jedoch ein Liebespaar zu werden. Wenn sie auch zu mehr als einer Gelegenheit das Bett geteilt hatten. Er hätte nicht genau erklären können, warum er Judith heute Abend eingeladen hatte, auch wenn sie sich immer glänzend miteinander amüsierten. Vielleicht war die Gesellschaft einer vertrauten Dame einfach leichter und ungefährlicher als seine Spielchen mit einer noch unbekannten Frau zu spielen.
Henry musterte ihn gelassen. Es war höchst beunruhigend. Henry sah immer viel weiter als es Jonathon recht war.
»Nein. Lady Chester und ich werden uns eine unterhaltsame Ruhepause vom Ball gönnen, ein angenehmes Zwischenspiel. Mehr nicht.« Jonathons Stimme klang fest.
»Wie üblich, mein Herr.«
»Genau.« Jonathon hob die Gläser wie zum Toast. »Wie üblich.«
Er nickte, drehte sich wieder um und lief den Flur hinunter. Seine schwermütige Stimmung wurde hinweggefegt von der Aussicht auf die entzückende Witwe, die ihn dort erwartete.
Judith war die perfekte Wahl für heute Abend. Es gab einfach keinen besseren Ausklang für die Adventszeit als eine Flasche besten Champagners und eine schöne Frau in den Armen. Und sollte die fragliche Dame nicht mehr erwarten, als man zu geben bereit war, umso besser. Zudem entsprach er sicherlich ebenfalls nicht Judiths Wünschen, falls sie sich nach einem Ehemann umsah.
Nein, er wusste ganz genau, was er wollte. Und egal wie amüsant seine Freunde das zu finden schienen: Wenn er endlich eben diese Frau fände, würde er nicht zögern ihre Hand und ihr Herz zu erobern. Und zwar mit ungezügelter, unvorstellbarer, nie dagewesener Leidenschaft.
Aber nicht heute.
Er grinste wieder in sich hinein, schob die Tür mit dem Fuß auf und trat ein. Die Bibliothek war ein langer, riesiger Raum mit Bücherregalen bis zur Decke, einem gewaltigen Schreibtisch gegenüber der Tür und einem offenen Kamin am hinteren Ende des Raums. Schräg davor war strategisch ein Sofa arrangiert, das den unterschiedlichsten Zwecken dienen mochte. Die Gasbeleuchtung war abgedämpft, und selbst das Feuer im Kamin warf seine Schatten nicht bis in den letzten Winkel des Raumes. Dennoch war deutlich die Silhouette einer Frau in der dunklen Ecke zu erkennen.
»Verehrte Judith, verzeih meine Verspätung.« Jonathon ging zum Schreibtisch hinüber, stellte die Gläser ab und öffnete mit geübtem Griff den Champagner. »Ich wollte eigentlich vor dir eintreffen.«
»Ach ja?« Ihre Stimme klang noch eine Spur rauchiger als gewohnt. Sehr aufregend. Dieser Abend würde vielleicht noch besser als erwartet.
»O ja.« Er füllte die beiden Gläser. »Ich wollte dich mit bereits gefüllten Gläsern erwarten.« Er nahm die Gläser und drehte sich um. »Ich muss sagen, ich hasse...«
Eine Gestalt, eindeutig nicht Judith, aber dennoch eine weibliche Gestalt, trat aus dem Schatten au f ihn zu. »Was hassen Sie?«
»Überraschungen«, murmelte er und reichte ihr ein Glas. »Sie sind nicht Lady Chester.«
»Wirklich nicht?« Sie nippte an ihrem Glas und sah ihn unschuldig und sehr wirkungsvoll an. »Sind Sie sich da ganz sicher?«
»Ganz ohne Zweifel.« Sein Blick wanderte an ihr herab; was er sah, gefiel ihm außerordentlich.
Sie war größer als Judith, aber nicht zu groß. Ihr Haar hatte einen tiefen, warmen Rotton. Rote Haare hatte er schon immer gemocht. Die Augen waren wunderschön, grün und beinahe mandelförmig. Der Schnitt ihres Kleides betonte ihre sinnliche Figur. Sie war wie eine Vision — nein, eine Göttin, lebendig und feurig und direkt
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