Glücksspiel der Liebe
ist unsere Geschichte und unsere Sage. Wir können doch erzählen, was wir wollen.« Er zog ein Buch heraus und schlug es auf. »Wenn wir ein Dutzend Grazien wollen, können wir auch ein Dutzend erschaffen.«
»Aber wir wollen doch auch, dass es einigermaßen Sinn ergibt.«
»Ich bezweifle, dass das nötig sein wird.« Er blätterte durch das Buch. »In Anbetracht unseres Vorhabens und der Tatsache, dass Sagen nicht der Wahrheit entsprechen, ist Sinn nicht unbedingt eine Grundvoraussetzung.«
»Wahrscheinlich nicht«, murmelte sie und warf einen Blick auf das Buch in seiner Hand. »Haben Sie schon etwas gefunden?«
»Nichts Vernünftiges.« Er klappte das Buch zu und stellte es zurück. »Wie wäre es mit Musen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Zu märchenhaft, denke ich. Unsere Geschichte dreht sich um Naturkräfte, nicht um die schönen Künste.«
»Ich hab's.« Jonathon lächelte zufrieden. »Nymphen. Wenn ich mich recht an meinen Unterricht in klassischer Literatur erinnere, dann waren sie untergeordnete Göttinnen.«
»Ausgezeichnet. Dann sind es also Nymphen.« Fiona kehrte zum Tisch zurück, schnappte sich ein Blatt Papier und schrieb Winter darauf. Auf einem zweiten notierte sie Sommer. Rasch teilte sie den Stapel männlicher Akte in zwei Haufen auf, legte das Papier mit Winter auf den emen und das mit Sommer auf den anderen. »So.« Sie nahm sechs der Frauenabbildungen und legte drei davon auf jeden Götterstapel. »Winter und Sommer haben jeweils die Herzen und die Treue dreier Nymphen gewonnen.«
»Sommer besitzt Juni, Juli und August, und Winter Januar, Februar und, hm, Dezember?«
»Ich empfinde Dezember eindeutig als Winter«, stellte sie fest. »Die Tage sind am kürzesten und es ist unweigerlich kalt. Eher als im März.«
»Also gut, dann. Winter und Sommer haben jeweils die uneingeschränkte Verfügung über drei Monate.« Jonathon stellte sich neben sie und betrachtete die Bilderstapel. »Sollten wir auch einen Frühling und einen Herbst haben?«
»Ich glaube nicht.« Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Die verbleibenden Monate, oder besser Nymphen, diejenigen, die Herbst oder Frühling gehören würden, wenn es noch zwei weitere Götter gäbe...«
»Vielleicht wurden sie von Winter und Sommer bezwungen, weil sie zu schwach waren?«
»Ausgezeichnet. Also diese Nymphen sind nun frei und Gegenstand des immerwährenden Kampfes zwischen Winter und Sommer. Die Treue, die Zuneigung gar, dieser Nymphen steht allzeit in Frage.« Sie dachte kurz nach. »Es handelt sich also nicht um einen direkten Kampf zwischen den Göttern. Es ist mehr ein Wettbewerb, aber raffinierter. Jeder der Götter versucht immer, die anderen Nymphen zu seiner Gefolgschaft zu ziehen.«
»Mit welchen Mitteln auch immer. Bestechung, Überlistung oder...« Er hob eine Augenbraue. »Verführung?«
»Auf jeden Fall Verführung. Würde ich denken.« Sie wich seinem Blick nicht aus. »Sie nicht?«
»Verführung scheint mir das richtige Vorgehen.« Er sah sie unverwandt an. »Bei Göttern und Nymphen, meine ich.«
Plötzlich wurde ihr bewusst, wie nahe sie beieinander standen. Seite an Seite, die Schultern berührten sich beinahe, warum hatte sie seine Nähe nicht schon vorher bemerkt? Oder lag es an dem Wort Verführung, dass er so in ihr Bewusstsein drang?
»Und Nymphen, da sie Nymphen sind, können sie sehr empfänglich sein für« — sie musste schlucken — »Verführung.«
»Es sind wankelmütige Wesen.« Sein Blick wanderte von ihren Augen zu ihren Lippen und wieder zurück. »Bei einer Nymphe kann man sich nie darauf verlassen, dass sie treu ist.«
»Man wäre ein Narr, wenn man sich auf eine Nymphe verließe.« Und wie viel törichter wäre es, sich auf einen Mann zu verlassen? Besonders einen mit breiten Schultern, einem ansteckenden Lachen und einem koketten Grübchen in der Wange?
»Ist das alles?« Seine Stimme war tief und... verführerisch.
»Was alles?« Sie starrte in seine blauen Augen. Abgrundtief und ach, so einladend. Er hatte zwar gesagt, dass ihre ersten Küsse nicht zählten, aber sie konnte sich noch allzu gut daran erinnern. Die Wärme seiner Lippen auf ihren. Das harte Gefühl seines Körpers an ihrem.
»Alles, was Ihnen zu der Geschichte einfällt?« Er senkte seinen Kopf, als wollte er nun seinen Kuss einfordern.
Es könnte einhundert Pfund wert sein, ihn noch einmal zu küssen. Zu spüren, wie ihre Knie weich wurden und ihr Puls raste und sich in ihrem Kopf alles drehte. Das musste daran
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