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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Gebäudes führte. »Da
lang!«, schrie ein beleibter Mann, dessen Kopf hochrot aus dem Hemd quoll. Wir folgten
ihm in den Flur. Was mir die anderen an Grundschnelligkeit voraushatten, machte
ich durch meine neugewonnene Ausdauer wett. Außerdem war ich nicht durch Krawatten,
eng geknüpfte Westen oder Lackschuhe gehemmt. Der Flur endete an einer weiteren
Treppe, die zurück ins Untergeschoss führte und von dort wieder in die runde Schalterhalle.
Leistungssportler waren die drei Flüchtenden nicht. Noch bevor wir den Ort des Attentats
erreicht hatten, holte ich einen von ihnen ein und packte ihn am Schlafittchen.
    Oder besser:
eine von ihnen. Denn als sich meine Beute windend um die eigene Achse drehte, stellte
ich fest, dass ich eine junge Frau erwischt hatte.
    »Was macht
ihr für einen Scheiß?«, herrschte ich sie an. »Glaubst du, das bringt euch weiter?«
Ich zog ihr die Maske vom Kopf und starrte in ein verschwitztes Gesicht. Ein Gesicht,
das ich kannte.
    Kommissar
Fischer!
    Natürlich
war es nicht Fischer, aber sozusagen sein Fleisch und Blut. Die Konfirmandin! Seine
Nichte, von der er mir Fotos gezeigt hatte. Wie hatte er sie genannt? Bockig, genau.
    »Ist dir
klar, was du deinem Onkel antust?«, rief ich.
    »Und was
hat die Deutsche Bank meinen Großeltern angetan?«, japste sie. »Super Fonds, todsichere
Rendite – ich scheiß drauf!«
    »Und deshalb
schmeißt ihr mit Farbe um euch?«
    Bevor sie
antworten konnte, waren wir von mehreren Leuten umringt. »So was gehört eingesperrt«,
rief ein junger Schnösel. »Wissen Sie, was man denen …« Atemnot kappte seinen Satz.
    »Sie sollten
an Ihrer Kondition arbeiten, anstatt Sprüche zu klopfen«, fuhr ich ihn an.
    »Ich rufe
die Polizei«, drohte der Beleibte.
    »Die ist
schon im Haus. Und das ist meine Gefangene.« Ohne meinen Griff zu lockern,
schubste ich die Nichte Richtung Schalterhalle. Dort hatte Herr Harboth ebenfalls
einen Attentäter erwischt und bleckte triumphierend sein altersloses Gebiss. Jaja,
die Qualitäten eines Mittelstrecklers!
    Durch ein
Spalier von Lynchstimmung und Schadenfreude bugsierte ich mein Opfer zu Kommissar
Fischer. Noch nie hatte ich ihn so niedergeschlagen erlebt. Die Schultern, die Backen,
die Brauen, sogar die Ohren: Alles zeigte traurig nach unten, hing schlapp von seinem
Polizistenkörper. Wirklich, er tat mir in der Seele leid!
    »Na«, sagte
er heiser, »dann werden wir mal … Ich rufe Verstärkung.«
    »Deshalb
also können Sie Eichelscheid nicht ausstehen«, raunte ich ihm zu und drückte seine
Nichte auf einen Stuhl. »Ich habe es sofort gemerkt.«
    Schweigend
warf er dem Mädchen einen wehmütigen Blick zu.
    Ich gab
ihm einen aufmunternden Klaps, dann drehte ich mich um und suchte nach Katinka.
Verdammt, wo steckte sie? Hektisch drängte ich mich an durch die Welt telefonierenden
Anzugmenschen und den teilweise umgestürzten Bistrotischen vorbei. Der Oberbürgermeister
und der Chefbanker aus Frankfurt hatten sich längst hinter die breiten Rücken ihrer
Leibwächter verkrümelt. Nur Dr. Eichelscheid stand noch immer an seinem Platz, während
zwei Hostessen versuchten, ihm und seinem Jackett ihre ursprüngliche Farbe wiederzugeben.
Aber so sehr sie auch wischten und rubbelten, Eichelscheid wurde höchstens hellrot.
    »Erst mein
Auto, jetzt ich«, klagte er, als er mich sah. »Die sind doch von allen guten Geistern
verlassen, diese Leute!«
    »Welches
Auto? Meinen Sie den Smart?«
    Er schüttelte
den Kopf. »Nein, mein eigenes. Als ich im Februar nicht nach Ziegelhausen kommen
konnte.«
    »Ich dachte,
es sei ein Unfall gewesen.«
    »Sie haben
mir die Scheinwerfer eingetreten. Blinder Fanatismus!« Er bekam einen Hustenanfall
und wurde von der einen Dame gebeten, nicht so zu wackeln.
    Nun, Scheinwerfer
ließen sich reparieren, Eichelscheids schöner Filialeinweihungsanzug hingegen war
perdu. Sollte ich ihn ebenfalls trösten? Immerhin war er mein Arbeitgeber. Aber
ich entschied, mein Schulterklopfreservoir für heute ausgeschöpft zu haben. Wo Katinka
steckte, wusste er übrigens auch nicht. Ich suchte also weiter und fand sie schließlich
außerhalb des Gebäudes auf dem Parkplatz der Filiale. Sie saß auf dem Boden, gegen
die Hauswand gelehnt, Augen geschlossen, die Beine weit von sich gestreckt. Jenseits
der Parkplätze begann die Mondlandschaft der Bahnstadt, mit ihren Gruben und Erdhügeln,
Wasserlöchern und Baggerspuren. Kräne und schwere Maschinen, so weit man sah.
    Ich setzte
mich neben sie.
    Eine

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