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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Whisky. Sehr zu empfehlen.«
    »Clever.«
    »Darf ich
Sie etwas fragen?«
    »Nur zu.«
    »Mir ist
aufgefallen, dass Sie wie eine Frau aussehen.«
    »Ich bin
ja auch eine.«
    »Aber die
anderen da draußen …«
    »Ach, die!
Das sind doch keine Frauen.« Lachend wischt sie sich einen Spritzer Mastbrei vom
hautengen Sprinteranzug, der über ihrer Brust spannt. »He, was glotzen Sie so? Wenn
Sie sich abreagieren müssen, gehen Sie nach nebenan.«
    »Was heißt
hier müssen? Das ist die Natur. Ich bin ein Mann, Sie allem Anschein nach eine Frau
…«
    »Natur!«,
lacht sie spöttisch. »Auf welcher Wolke leben Sie denn? Hier ist nichts Natur. Gar
nichts!« Schon hängt sie ihr Pferdegesicht wieder über den Futtertrog. Konzentriertes
Wiederkäuen erfüllt den Raum.
    Ich aber
bin gekränkt. Wo ist meine Fahne? Dir werde ich’s zeigen, du blondes Masthühnchen!
Hast du meine Fahne gesehen? Sie ist der Schrecken der Spiele. Auf sie wurden heilige
Eide geschworen, und ihre Stange ist länger als der längste deiner Schenkel. Einrollen
werde ich dich in sie wie in Backteig, dann werde ich dich rösten auf kleiner Flamme,
bis dein Haar schwarz ist und deine Haut kross.
    Sie hebt
den Kopf. »Wie gesagt«, murmelt sie mit vollem Mund, »bevor Sie überlaufen, melden
Sie sich nebenan in der Befriedigungsstelle.«
    Als ich
sehe, wie der Brei von ihren Lefzen tropft, flüchte ich. Es ist einfach zu widerlich.
Vor der Tür reißt mich die Masse fort, ein Strudel von Menschen. Auf dem Boden muss
es ein Laufband geben, das alles zum Nebenraum zieht. Um mich herum Männer mit bloßem
Oberkörper, deren Brustmuskulatur unkontrolliert zuckt. Männer, die nach Luft schnappen,
während ihnen die Augen aus den Höhlen quellen.
    »Was ist
denn mit euch los?«, frage ich.
    »Und du?«,
kommt es zurück. »Glaubst du, du siehst besser aus?«
    Mir wird
klar, dass sie recht haben. Mein Kopf glüht, glüht schon die ganze Zeit, ich habe
es bloß verdrängt. Der Hals dick und hart, die Atmung heftig, in Stößen. Beide Hände
sind so fest zu Fäusten geballt, dass die Fingerknöchel weiß durch die Gänge leuchten.
Meine Fahne zittert. Und erst der Aufruhr in meinem Unterleib! Wie das schreit und
presst und vorwärtsdrängt …
    Jetzt sind
wir am Ziel. Eine Kasernenhofstimme ertönt.
    »In Vierergruppen
vortreten!«
    Machen wir.
    »Hosen runter!«
    Machen wir.
    »Nach 15
Sekunden wird gewechselt. Wem das nicht genügt, der hat hier nichts zu suchen!«
    15 Sekunden?
Als wenn auch nur einer so lange bräuchte! Vorn legen junge Herren in Arztkleidung
Hand an, melken das Harz aus den Baumstämmen, die sich ihnen entgegenrecken, wechseln
die sterilen Handschuhe nach jedem Durchgang. Die Luft dampft von Stöhnen und Ächzen.
Wer fertig ist, stellt sich hinten wieder an.
    »Nächste
Gruppe! Hosen runter!«
    An der Wand
sind Parolen zu lesen: »Testosteron: Quelle des Glücks« – »Wir brauchen mehr Mann
im Mann«.
    Als ich
an die Reihe komme, schauen sich die Arzthelfer bestürzt an. Meine Fahne schlägt
ihnen um die Assistentenohren. Ja, da glotzt ihr! Es ist die heilige Fahne der Spiele,
getränkt mit Blut und Schweiß. Ist sie euch zu groß? Zu heiß? Zu schwer? Traut ihr
euch nicht ran mit euren sterilen Fingern? Hat euch der Staatsplan 14.25 nicht auf
solche Situationen vorbereitet?
    »Was sollen
wir tun?«, ruft einer der Jünglinge hilflos. Unruhe kommt auf. Der Kommandogeber
hüllt sich in Schweigen.
    »Los, weiter!«,
tönt es von hinten. »Wie lange müssen wir noch warten?«
    Ich schwenke
meine Fahne. Sie scheint tatsächlich noch einmal gewachsen zu sein.
    »Was ist
jetzt? Geht’s vorwärts? Ich kann es nicht mehr halten!«
    Da packt
mich der Zauberer von vorhin am Arm. Der mit der Hirndrüsendroge. »Kommen Sie«,
raunt er und zeigt auf eine schmale Tür im Hintergrund. Mit einer Hand grapsche
ich nach meiner Hose, packe die Fahne mit der anderen und folge ihm.
    »Nächste
Gruppe! Hosen runter!«
    »Na, endlich!«
    Die Tür
schließt sich hinter uns. Im angrenzenden Raum herrscht eine ungesunde Atmosphäre
dämmriger Schwüle. Nähern wir uns dem schwärenden Herz der Katakomben, verbirgt
sich hinter jeder weiteren Tür eine schlimmere Krankheit? Zur Sicherheit knöpfe
ich meine Hose zu.
    »Sie brauchen
das Besondere«, flüstert der Zauberer. »Das Unerwartete, Abseitige. Warten Sie nur
ab!«
    Eine weitere
Tür öffnet sich. Kurz fällt ein gelber Lichtstrahl auf Regale voller Einmachgläser.
Menschliche Präparate in Formaldehyd,

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