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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Föten in allen Größen, mit absurd großen Köpfen.
Dann erlischt der Lichtstrahl wieder, die Tür wird geschlossen, und auf dem Boden
wälzt sich eine nackte Gestalt.
    »Was sagen
Sie?«, wispert der Zauberer. »Bei uns haben die Fahnenträger, die olympischen zumal,
immer eine privilegierte Stellung. Welche Stellung bevorzugen Sie?«
    Er zerrt
die Nackte an einem Arm in die Höhe. Sofort packe ich meine Fahne.
    »Sie ist
den Umgang mit Sportlern gewohnt. Ist ja selbst eine Sportlerin. Sehen Sie nur,
wie muskulös sie ist, wie durchtrainiert. Da gibt es kein überflüssiges Gramm Fett
mehr.« Der Atem des Zauberers schlägt mir ins Gesicht. »Na los, zieren Sie sich
nicht. Sie hat heute schon mit einem Dutzend Zehnkämpfern geschlafen, da kommt es
auf einen Burschen mehr auch nicht an!«
    Er greift
in ihr Haar und reißt den Kopf nach hinten. Ihre Brüste recken sich mir entgegen,
und unten, zwischen ihren Beinen, reckt sich noch etwas. Ein bleicher kleiner Penis.
Ein phosphoreszierender Pilz in der Dunkelheit.
    »Moment«,
sage ich. »Kann sein, dass mich die Erinnerung trügt. Aber bevor ich diesen Whisky
getrunken habe, sahen Frauen noch wie Frauen aus und Männer wie Männer. Hier dagegen
…«
    »Unsinn!«
Der Zauberer lässt die Frau los. Sie sinkt zu Boden. Der kleine Pilz hinterlässt
eine Leuchtspur im Dunkeln. »Unsinn«, wiederholt er. »Es gibt kein falsches Leben
im wahren. Merken Sie sich das! Athleten sehen immer nur wie Athleten aus, unabhängig
vom Geschlecht. Wenn sich die Gesellschaft den Kopf über Dinge zerbricht, die sie
nicht versteht, ist das ihr Problem. Wir Profis halten den Ball flach, indem wir
Kugelstoßerinnen mit zu viel Bassstimme nicht mehr zu Interviews schicken. Solange
sie über 20 Meter stoßen, ist alles in Ordnung.« Er starrt mich an. »Was ist jetzt?
Wenn Sie kein Interesse an dem Mädel haben, gehen Sie bitte. Sie sind schließlich
nicht der Einzige mit einem Abfuhrproblem.«
    Er hält
mir eine Tür auf, die in einen weiteren Raum führt. Genauer gesagt: in ein Zimmerchen.
Einen zweiten Ausgang gibt es nicht, dafür fällt etwas Licht durch Risse in der
niedrigen Decke. Ich bekomme Atemnot. Hier kann ich nicht lange bleiben. Aber der
Rückweg ist versperrt, der Zauberer muss einen Riegel vor die Tür geschoben haben.
Was tun?
    Die Antwort
ergibt sich wie von selbst, als meine Fahne gegen die tiefe, rissige Decke stößt.
Sofort rieselt Putz auf mich herab. Noch ein Stoß, und ein fingerdicker Spalt tut
sich auf. Sehr gut! Endlich eine sinnvolle Tätigkeit! Endlich ist meine Riesenstange
zu etwas zu gebrauchen. Nach höchstens einer Minute gelingt der Durchbruch; grelles
Scheinwerferlicht blendet mich. Ich suche einen festen Punkt, um meine Stange anzulehnen,
und ziehe mich an ihr hoch. Früher fiel mir diese Art von Kletterei immer schwer,
ich weiß es noch genau. Heute bekomme ich sogar Applaus dafür.
    Applaus?
    Umbrandet
von Beifall steige ich aus dem Loch in der Decke. Eine Hand zieht mich endgültig
ins Licht: die Hand des Zauberers, der nun einen weißen Schal trägt und im Gesicht
ein jungenhaftes Lächeln.
    »Herzlich
willkommen«, ruft er in ein Mikrofon. »Unser Überraschungsgast: Max Koller!« Dabei
lässt er mich los, um bei gleichzeitiger halber Drehung mit der freien Hand eine
große Geste vor dem Publikum zu vollführen. Seine Grübchen werfen neckische Schatten.
    Ich sehe
mich um. Wir stehen auf einer kreisrunden Bühne, in deren Mitte das Ende der Fahnenstange
aus dem Boden ragt. Um uns herum das tobende Publikum, auf der Bühne eine Reihe
von TV-tauglichen Sesseln, die bis auf einen alle besetzt sind.
    Der Zauberer
nötigt mich, Platz zu nehmen. »Unser Thema heute: Essen. Ernährung. Die sportlerspezifische,
sportlergerechte Ernährung, die zu Höchstleistungen führt. Herr Koller, was haben
Sie als Letztes zu sich genommen? Was befindet sich sozusagen noch jungfräulich
in Ihrem Magen?«
    »Whisky«,
lüge ich. Die Sache mit den Uraltpillen ist mir einfach peinlich.
    »Whisky!«,
jubelt der Zauberer zum Johlen des Publikums. »Das dachte ich mir. Ein wenig Alkohol
vor dem Wettkampf, und schon läuft, springt, schießt es sich besser. Das qualifiziert
Sie zum Experten in dieser Expertenrunde, die uns nun exklusiv verraten wird, welche
Sportlernahrung den Königsweg zum olympischen Erfolg darstellt.«
    Der Chinese
im Sessel neben mir hebt den Finger. »Schildkrötenblut«, lispelt er. »Große Schildkröten,
viel Blut. Aber kalt,

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