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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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bitteschön.«
    »Schildkrötenblut«,
nickt der Zauberer, das Mikrofon an den Lippen. »Dieses Traditionsgericht hat China
die Vorherrschaft auf sämtlichen Gebieten olympischer Wettkämpfe erbracht. Was ist
mit Ihnen, Herr Virén?«
    »Ich bevorzuge
Rentiermilch«, erklärt ein schlanker Mann mit breiten Koteletten.
    »Rentiermilch?
Enorm! Natürlich aus Finnland, Ihrer Heimat, nehme ich an?«
    »Aus Lappland.
Rentiermilch macht schnell und ausdauernd. Man wird quasi selbst zum Rentier.«
    »Was mein
Land angeht«, meldet sich sein Nachbar zu Wort, ein echter Kommisskopf, »so kann
ich versichern, dass sich die Athleten der Deutschen Demokratischen Republik ausschließlich
von tschechischen Knödeln und Puffreis ernähren. Der Erfolg gibt uns recht, würde
ich meinen.«
    »Allerdings«,
ruft der Zauberer, »allerdings, Herr Höpp-ner! Und Sie sehen«, wieder die große,
ans Publikum gerichtete Geste, »Sie sehen, dass spitzenmäßiger Spitzensport auf
reinen Naturprodukten fußt, auf der Essenz dessen, was Pflanze und Tier uns bereitstellen.«
Seine Brauen schnellen in die Höhe. »Einspruch, Herr Beckenbauer?«
    Der Weltmeister
und Weltmeistertrainer, eine Werbeaufschrift auf dem Hemdkragen, lehnt sich gemütlich
in seinem Sessel zurück. »Na, ned!«, verkündet er in der Amtssprache der Spiele
von 1972. »Kein Einspruch, Euer Ehren! Weil, das Blut, was wir uns ham abzapfen
lassen von den Ärzten und was uns dann wieder zug’führt worden ist, also g’spritzt,
würd ich’s mal nennen, das war ja halt unser eigenes Blut. Also meins hab ich schon
selbst wiederbekommen und der Uli seins. Beispielsweise. Wer will schon das vom
Katsche Schwarzenbeck?« Er lacht. »So wirst Weltmeister, gell?«
    »So und
nicht anders!«, stimmt der Zauberer zu. »Zweitplatzierte sind die ersten Verlierer
– alte Radfahrerregel.« Hinter ihm saust das Publikum vorbei. Erst jetzt bemerke
ich, dass jemand die Zuschauerränge in Bewegung gesetzt hat: Sie kreisen um die
Bühne herum. Oder die Bühne dreht sich um sich selbst. Meinem Magen gefällt das
nicht.
    »Können
Sie das anhalten?«, bitte ich den Zauberer. »Mir wird schwindlig.«
    Der runzelt
die Stirn. »Schwindlig? Dann haben Sie etwas Falsches gegessen. Etwas Unnatürliches.«
    »Ach, was.
Gar nichts habe ich gegessen.«
    »Sicher?«
    »Ja! Kein
Kälbermastmittel, keinen Hormoncocktail, nichts!«
    »Und das
Wildschwein?«
    »Welches
Wildschwein?«, fragte ich verwirrt.
    »Das aus
der Lüneburger Heide. War es ein männliches oder weibliches Schwein?«
    »Bitte?«
    »Keiler
oder Bache? Eber oder Sau?«
    »Keine Ahnung!
Benommen hat es sich wie ein Halbstarker.«
    »Kastriert
oder nicht kastriert?«
    Ich blicke
mich um. Keiner lacht. Alle warten gespannt auf meine Antwort. »Wie soll ich das
wissen?«, stottere ich. »Das spielt doch keine Rolle!«
    »Und ob.«
Mahnend hebt der Zauberer einen Finger. »Es spielt sogar eine erhebliche Rolle.
Fleisch von unkastrierten Ebern lässt den Testosterongehalt in Ihrem Körper explodieren.
Ein Steak, und Sie sind positiv.«
    »Aber ich
habe nichts von dem Schwein gegessen!«
    Ein Stöhnen
geht durch das Publikum. Der Finne Virén greift sich an den Kopf, sein Nachbar Höppner
zuckt mit den Achseln.
    »Dumm«,
seufzt der Zauberer. »Sehr dumm. Sie begreifen es wohl nie, Herr Koller. Warum behaupten
Sie nicht, Sie hätten Eberfleisch verzehrt? Dann könnten Sie jetzt ungestraft Olympiasieger
werden. Aber so …«
    Kichern
im Publikum. Immer neue Gesichter ziehen vorbei, amüsiert über den Volltrottel,
der da unter ihnen sitzt. Hilflos blicke ich zu meiner Fahne hinüber. Aber die scheint
geschrumpft zu sein. Das Loch im Boden: gähnend leer.
    »Die Katze«,
sage ich leise, »Nanuschka ist tot. Können Sie mir sagen, wer das getan hat?«
    Der Zauberer
schüttelt den Kopf. »Ich kenne nur die Geschichte von Honeckers Hund. Den die Gewichtheber
so mit Oral-Turibanol fütterten, dass er alles besprang, was nicht rechtzeitig auf
den Bäumen war.«
    »Und als
Honecker das Olympiateam auf die gemeinsame Sache einschwor«, fällt der Kommisskopf
ein, »klemmte der Hund an seinem Bein. Eine geschlagene halbe Stunde lang. Bis Honecker
sagte: Sehnse, Genossen? Sogar das können unsere Viecher besser als die im Westen.«
    »Korrekt«,
höre ich Daniela Werner-Buttgereits Stimme aus dem Off.
     
     
     
     

15
     
    Ich habe Kopfschmerzen.
    Kopfschmerzen,
Halsschmerzen, Rückenschmerzen. Außerdem Muskelkater. Das muss man sich mal vorstellen:
Du

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