Glut der Gefuehle - Roman
Die Mauern schimmerten in hellem Goldgelb.
»Welch ein hübsches Cottage!«, rief sie über die Schulter. »Es gehört Mr Marchman, nicht wahr?«
»Aye, Miss Parr«, bestätigte Darrow und hob eine Truhe auf seine Schulter. »Würden Sie bitte die Tür öffnen?«
»Natürlich.« Den Kopf gegen den Wind gesenkt, eilte sie voraus und stieß die Haustür auf.
Darrow folgte ihr ins Cottage, stellte die Truhe ab und kehrte zum Wagen zurück.
Inzwischen inspizierte India die Einrichtung. Abgesehen vom kalten Kamin, hatte jemand den Raum für die Ankunft der Gäste vorbereitet. Von Schonbezügen befreit, waren die Möbel blank poliert – Stühle mit gedrechselten Beinen, ein Sofa und Sessel, goldgelb und grün gepolstert.
India ging durch die Küche. Über eine schmale Treppe stieg sie zu den beiden Schlafräumen hinauf, die schlicht und fast identisch ausgestattet waren. »Ich nehme das salbeigrüne Zimmer!«, rief sie dem Diener zu, der gerade ein weiteres Gepäckstück ins Haus schleppte. »Und Sie bewohnen das blaue. Sind Sie damit einverstanden?«
»Verzeihen Sie, Miss Parr, aber für mich gibt’s da oben eine Kammer. Bis Seine Lordschaft eintrifft, begnüge ich mich im Erdgeschoss mit einer Matratze.«
India trat an den Treppenabsatz und spähte nach unten. »Nein, das ist nicht nötig. In diesem Schlafzimmer hätten Sie es viel bequemer...« Dann unterbrach sie sich, weil der Diener den Kopf schüttelte. »Ach, ich verstehe – Sie fürchten, ich könnte fliehen. Deshalb wollen Sie die Tür bewachen.«
»Nicht ich fürchte das – er sorgt sich drum. Aber wie ich gehört habe, gefällt’s den Damen hier sehr gut.«
»Den Damen?«
»Angeblich hat eine gesagt, das Cottage sei bezaubernd.«
»Bezaubernd...«, wiederholte sie.
»Die Damen wollten gar nicht mehr abreisen. Als die letzte Geliebte hier den Laufpass bekam, war sie schrecklich wütend und machte Seiner Lordschaft eine grauenhafte Szene.«
»Oh, ich verstehe. Selbstverständlich wollen wir Ihrem Herrn nichts Dergleichen zumuten.« Den Kopf würdevoll erhoben, stieg India die Treppe hinab. »Bringen Sie das Gepäck in den Wagen zurück, Mr Darrow, wir reisen sofort ab.«
Doch plötzlich fiel ihr der getreue, stets so unerschütterliche Mr Darrow bewusstlos vor die Füße.
Siebentes Kapitel
An diesem Abend versammelte sich eine düster gestimmte Gruppe im Klub. Sie tranken nur wenig, wechselten kaum ein Wort, und niemand störte sie.
Über aneinander gelegte Fingerspitzen hinweg musterte West seine Freunde. Das Schweigen, das am Tisch herrschte, lenkte immer wieder neugierige Blicke herüber. Wer den Duke gekannt hatte, verstand zweifellos, dass sein illegitimer Sohn nicht in tiefer Trauer versank. »Wir erregen Aufsehen.«
»So?« Eastlyn schaute sich um und fand Marchmans Behauptung bestätigt. »Sicher liegt’s an der derangierten äußeren Erscheinung des Viscounts.«
South hob den Kopf. »Meinst du etwa den Schlamm an meinen Stiefeln?«
»Unter anderem.« Der Marquess starrte Southertons staubigen Gehrock an. »Hat Darrow dich etwa im Stich gelassen?«
»Nein, es war eher umgekehrt.« Die Augen halb geschlossen, betrachtete South seine schmutzigen Stiefel. Der Ritt aus der ländlichen Einsamkeit zurück nach London war ziemlich anstrengend gewesen. »Bloß ein vorübergehender Zustand. Falls du hoffst, du könntest mir Darrow abspenstig machen – vergiss es.«
»Schade|...« East nippte an seinem Portwein und wandte sich zu North. »Heute Abend bist du besonders
wortkarg, und das kann nicht nur mit Wests verstorbenem Vater zusammenhängen.«
Geistesabwesend strich Northam durch sein Haar. »Das ist es nicht...« Um sich bei Marchman zu entschuldigen, schenkte er ihm ein dünnes Lächeln.
»Geht es um Elizabeth?« East hob eine Hand. »Nein, North, gib mir keine Antwort. Danach hätte ich nicht fragen dürfen. Ich sollte mich nicht derart dreist in dein Privatleben einmischen.«
Wenn es North auch nicht störte, dass die Freunde von seinen ehelichen Problemen wussten – es widerstrebte ihm, darüber zu reden. So wie sie sich jetzt um West scharten, würden sie auch ihm beistehen, wann immer er sie brauchte. Er musste nur den Viscount anschauen, um zu erkennen, dass sie notfalls keine Mühe scheuten. Jetzt neigte er sich zu ihm. »Wo warst du, als du die Neuigkeit gehört hast?«
South ärgerte sich, dass er die Spuren des ermüdenden Ritts nicht verhehlt hatte. Vielleicht würden fremde Leute seine Erschöpfung nicht
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