Glut der Verheißung - Kleypas, L: Glut der Verheißung - Seduce me at sunrise
schüttelte Merripen die Hand, der sich wie gewöhnlich ein wenig von der Familie distanziert hielt. »Laut Westcliff und den Nachbaranwesen hat Merripen auf Eurem Landgut in kürzester Zeit einen unglaublichen Erfolg erzielt.«
»Da der Name ›Ramsay‹ so selten mit dem Wort
›Erfolg‹ im gleichen Atemzug genannt wird«, erwiderte Leo, »ist Merripens Leistung noch beeindruckender.«
»Vielleicht könnten wir im Laufe des Abends einen ruhigen Moment abpassen«, sagte Hunt zu Merripen, »um Eure ersten Eindrücke der Dreschmaschine zu besprechen, die Ihr für das Anwesen erworben habt. Nun, da die Arbeit mit der Eisenbahn so gut läuft, überlege ich, meine Geschäfte auf Landwirtschaftsmaschinen auszuweiten. Ich habe von mehreren Neuerungen und einer dampfbetriebenen Heupresse gehört.«
»Die gesamte Landwirtschaft wird mechanisiert«, erwiderte Merripen. »Schneidemaschinen, Mähdrescher und-binder … eine Vielzahl an Modellen ist in der Weltausstellung zu besichtigen.«
Hunts dunkle Augen leuchteten vor Interesse auf. »Davon müsst Ihr mir unbedingt mehr erzählen.«
»Mein Gatte liebt Maschinen«, lachte Mrs Hunt. »Ich glaube, sie haben all seine anderen Interessen verdrängt.«
»Nicht alle«, sagte Hunt zärtlich. Die Art, wie er seine Frau ansah, ließ sie erröten.
Amüsiert überging Leo die erotische Anspielung und sagte: »Mr Hunt, ich würde Euch gern Dr. Harrow vorstellen, den Arzt, der für die Genesung meiner Schwester verantwortlich ist.«
»Es ist mir ein Vergnügen, Sir«, sagte Dr. Harrow und reichte dem Gastgeber die Hand.
»Ganz meinerseits«, entgegnete Hunt höflich, sah ihn jedoch sonderbar forschend an. »Seid Ihr der Harrow, der das Sanatorium in Frankreich leitet?«
»Höchstpersönlich.«
»Und Ihr wohnt immer noch dort?«
»Ja, obwohl ich meine Freunde und die Familie in Großbritannien so häufig besuche, wie es mir meine spärlich bemessene Zeit erlaubt.«
»Wenn ich mich nicht täusche, bin ich mit der Familie Eurer verstorbenen Gattin bekannt«, murmelte Hunt und starrte ihn eindringlich an.
Nach einem kurzen Blinzeln erwiderte Harrow mit einem traurigen Lächeln: »Die Lanhams. Wunderbare Menschen. Ich habe sie nun schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Die Erinnerungen, wenn Ihr versteht.«
»Natürlich«, sagte Hunt leise.
Win war verwirrt über die lange, eigentümliche Pause, die nun folgte, und spürte das Unbehagen, das von beiden Männern ausging. Sie blickte zu ihrer Familie und dann zu Mrs Hunt, die offensichtlich ähnlich überrascht war.
»Nun, Mr Hunt«, sagte Mrs Hunt fröhlich, »werden wir heute wieder alle Anwesenden schockieren, indem wir zusammen tanzen? Sie spielen schon bald einen Walzer … und du weißt, du bist mir der liebste Tanzpartner.«
Der kokette Unterton in der Stimme seiner Frau brachte Hunt augenblicklich auf andere Gedanken. Er grinste sie an. »Was auch immer du wünschst, meine Liebste.«
Harrow sah Win in die Augen. »Ich habe schon viel zu lange nicht mehr Walzer getanzt«, sagte er. »Wollt Ihr mir einen Platz auf Eurer Tanzkarte reservieren?«
»Da steht Euer Name doch schon längst«, erwiderte
sie und ergriff den dargebotenen Arm. Dann folgten sie den Hunts in den Salon.
Poppy und Beatrix wurden bereits von zwei Gentlemen zur Tanzfläche geführt, während Cam seine behandschuhten Finger über Amelias schloss. »Warum sollen die Hunts die Einzigen sein, die die Gäste schockieren? Komm und tanz mit mir!«
»Vermutlich werden wir mit dieser Geste niemanden schockieren können«, sagte sie und kam seiner Bitte freudestrahlend nach. »Die Leute nehmen sowieso an, dass wir es nicht besser wissen.«
Mit schmalen Augen beobachtete Leo den Einzug in den Salon. »Ich frage mich«, sagte er zu Merripen, »was Hunt über Harrow weiß. Kennst du ihn gut genug, um ihn zu diesem Thema zu befragen?«
»Ja«, erwiderte Merripen. »Aber selbst wenn nicht, würde ich dieses Haus erst verlassen, nachdem ich ihn dazu gebracht habe, dass er es mir verrät.«
Bei diesen Worten musste Leo lachen. »Du bist wahrscheinlich der einzige Mensch im ganzen Haus, der es wagen würde, Simon Hunt zu etwas ›zu bringen‹. Er ist ein verdammter sturköpfiger Mistkerl.«
»Ich auch«, lautete Merripens schroffe Antwort.
Es war ein wundervoller Ball, oder er wäre es gewesen, hätte sich Merripen wie ein vernünftiger Mensch aufgeführt. Er ließ Win keine Sekunde aus den Augen und kümmerte sich nicht darum, ob es jemand bemerkte.
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