Glut in samtbraunen Augen
wusste selbst nicht, warum – aber trotz der Gewissheit, es mit der Nichte seines Erzfeines zu tun zu haben, wehrte sich alles in ihm dagegen, ihr ein Leid zuzufügen. Niemals würde er sie zu etwas zwingen können. Und genau deshalb hatte er seinen ursprünglichen Plan, so schnell wie möglich ein Kind mit ihr zu zeugen, um dieser unsäglichen Ehe ein für allemal ein Ende zu bereiten, auch längst verworfen.
Stellte sich nur die Frage, wie es nun weitergehen sollte.
5. KAPITEL
Kurvenreich schlängelte sich die Straße nach Volterra, der ehemaligen Etruskerstadt, durch die zerklüftete Hügellandschaft. Beeindruckt schaute Vanessa sich um. So etwas hatte sie bisher höchstens in Filmen gesehen. Die Aussicht war einfach fantastisch: Rechts und links der Straße, die von Zypressen gesäumt war, erstreckten sich ausgedehnte Weiden und Olivenhaine, und hoch über allem thronte die uralte Stadt auf einem Felsrücken. In Serpentinen ging es weiter den Berg hinauf, und Vanessa genoss den Blick auf das Tal, das von oben betrachtet wie ein Flickenteppich aus Wiesen, Wäldern und Feldern wirkte, durch den sich, wie ein silbernes Band, ein Fluss wand.
Als Cesare sie am Vormittag mit dem Vorschlag überfallen hatte, ihn nach Volterra zu begleiten, wo er sich mit einem potenziellen Kunden zum Dinner treffen wollte, war sie im ersten Moment überrascht und auch erfreut gewesen. Damit hatte sie gar nicht gerechnet, und sie war froh über die Chance, etwas von Italien zu sehen.
Obwohl die Fahrt dank des offenen Verdecks von Cesares Sportwagen angenehmer für sie verlaufen war, als sie gedacht hatte, verspürte Vanessa doch ein Gefühl der Erleichterung, als sie ihr Ziel jetzt erreichten. Autofahrten waren seit dem tragischen Unglück vor sieben Jahren noch immer schwierig für sie, ebenso wie Flüge oder gar Bootsfahrten. Doch das Gefühl, im Fall der Fälle nicht eingesperrt sein zu können, machte alles etwas leichter, und Cesares angenehmer Fahrstil hatte sein Übriges dazu beigetragen.
Jetzt stellte er den Wagen vor den mächtigen Stadttoren ab und stieg aus. Rasch kam er zu ihr herum, um ihr galant die Tür aufzuhalten. Vanessa konnte nur staunen. So kannte sie Cesare noch gar nicht. Sollte etwa noch eine ganz andere Seite in ihm schlummern, eine Seite, die er bislang sorgsam vor ihr verborgen gehalten hatte?
Rasch verwarf sie diesen Gedanken wieder. Über so etwas sollte sie besser erst gar nicht nachdenken.
An der Stadtmauer entlang führte Cesare sie an einen Platz, von dem aus sie eine herrliche Aussicht auf das Tal hatten. Es war ein erhebendes Gefühl, auf die vielen kleinen Flachdachhäuser zu blicken, die von hier oben aus gesehen wie Spielzeuge wirkten. Leuchtend rot hoben sie sich gegen das satte Grün der Bäume ab, die auf den Hängen unterhalb der Stadt wuchsen.
„Und?“, erkundigte Cesare sich. „Gefällt es dir?“
„Ob es mir gefällt?“ Vanessa strahlte. „Es ist einfach wundervoll!“, erwiderte sie aus tiefstem Herzen. „So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen!“
Jetzt lächelte auch er. Es war ein ehrliches, warmes Lächeln, das sie in dieser Form noch nie bei ihm gesehen hatte. Vanessa musterte ihn. Stand da der echte, natürliche Cesare neben ihr? Oder hatte er einfach nur zwei Seiten, von denen die eine kalt und berechnend war und die andere …
Wieder rief sie sich zur Ordnung. Sie sollte wirklich nicht den Fehler begehen, das Gute in ihm zu suchen. Sie hatte diesen Mann schließlich nicht aus Liebe geheiratet, und es wäre ein Fehler, ihn jetzt zu nah an sich heran zu lassen.
„Komm, setzen wir uns.“ Er deutete auf eine Bank, und sie nahmen Platz. Während Vanessa weiterhin den herrlichen Ausblick genoss, spürte sie Cesares Nähe so deutlich, dass ein prickelnder Schauer sie überlief.
„Wusstest du, dass Volterra bereits auf eine dreitausendjährige Geschichte zurückblicken kann? Von den Etruskern gegründet, wurde es später von den Römern eingenommen und geriet schließlich in den Einflussbereich der berühmten Familie Medici, die auch für den Bau der großen Burganlage verantwortlich ist, an der wir vorhin vorbeigekommen sind.“
Vanessa fand das alles ungeheuer spannend, sie hatte sich schon immer sehr für Geschichte und andere Kulturen interessiert. Allerdings fragte sie sich auch, was Cesare zu all dem hier bewegte. Sie wusste, er war ein viel beschäftigter Mann, der nichts ohne Grund tat – warum also nahm er sich die Zeit, ihr seine Heimat zu
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