Glut unter der Haut
für dich, als du deine Eltern verloren hast.«
Sie hatte nicht die A bsicht, hatte nicht einmal daran gedacht, dennoch streckte sie dieandere Hand aus und bedeckte die männliche, die ihre hielt. Eine W eile starrte sie auf diese Hände, ehe sie antwortete.
»Ich hatte den W unsch, ebenfalls zu sterben. Ich war wütend. W ie konnte Gott mir das antun? Ich war doch immer brav gewesen, fleißig in der Schule, hatte immer mein Gemüse aufgegessen, weißt du, diese A rt Sachen, von denen ein Kind meint, dass sie mustergültig sind.« Sie seufzte. »Ich war an jenem A bend bei einer Freundin, weil ich erkältet war, und Mutter wollte nicht, dass ich bei dem W etter mit auf dem Boot rausfahre. Ich erfuhr erst am nächsten Morgen von dem Unfall, als die Mutter meiner Freundin es im Radio hörte.«
Sie schloss die A ugen und erlebte all den Schmerz neu, den sie an jenem T ag verspürt hatte. »Ich bin jetzt fast sechsundzwanzig. Ich habe mit meinen Eltern gerade mal die Hälfte meines bisherigen Lebens verbracht, aber sie sind noch immer ein T eil von mir. Die Erinnerungen an sie sind lebendiger als die an so manche Geschehnisse nach ihrem T od.«
»Du kamst dann in ein W aisenhaus.«
»Ja.« Sie lächelte. »Ich weiß noch, wie böse ich auf die Eltern meiner Freundinnen war, die zwar sagten, sie würden sich Sorgen um mich machen, die mir aber nicht anboten, bei ihnen zu leben. Sie waren alle sehr nett zu mir. Das ist mir jetzt klar. A ber damals war ich verbittert, welch schlechtes Los mir das Leben zugedacht hatte. Ich war niemandem sonderlich dankbar.«
»Ich finde, du hattest allen Grund, verbittert zu sein.« Er hob ihre Hand und küsste sie schnell. »Wo bist du zur Schule gegangen?«
»Im W aisenhaus. Es war eine kirchlich unterstützte Einrichtung – wie ich dieses W ort hasse! Sie hatten Klassen bis zur neunten. Danach besuchte ich eine staatliche Highschool. Das half mir, mich auf das Leben ›draußen‹ vorzubereiten …«
»Und das College?«
»Meine Noten waren so gut, dass ich von den W ohltätern des W aisenhauses ein Stipendium angeboten bekam, aber ich arbeitete zusätzlich noch in einem Bekleidungsgeschäft nahe beim Campus.«
Erik schmunzelte wissend. »Ach komm, mach mir doch nichts vor! Du hast doch gearbeitet, damit es nicht so aussah, als würdest du A lmosen annehmen.«
»Vielleicht war das mit ein Grund«, gab sie verlegen zu.
»Erzähl weiter.«
»Den Rest kennst du. Oder zumindest das meiste davon. Nach meinem A bschluss habe ich als V erkäuferin in verschiedenen Läden gearbeitet, bis ich vor zwei Jahren die Stellung bei Masons annahm.« Kathleen lenkte das Gespräch von dem Job ab, den sie vor kurzem erst aufgegeben hatte. »Was ist mit deiner Familie? Deinem Namen nach vermute ich mal, dass du skandinavische V orfahren hast.«
»Ja, mein V ater war Däne. Er ist mit seinen Eltern nach A merika gekommen, als er noch ein kleines Kind war. Mein Großvater war Uhrmacher. Meine Großmutter hat nie Englisch gelernt. W enn ich an sie denke, erinnere ich mich nur an ihr weißes Haar und an ihre selbstgebackenen Kekse, die besten, die ich jemals gegessen habe.«
»Und deine Eltern? W as war dein V ater von Beruf?«
»Er war ein energischer Mann. Er kämpfte sich seinen W eg durchs College, diente im Krieg und heiratete nach der Rückkehr meine Mutter. Er arbeitete bei Boeing in Seattle, wo ich aufwuchs. Er war ein großer, muskulöser Bursche mit feurigem T emperament. A ber ich habe erlebt, wie er bei einem sentimentalen Film T ränen vergoss.«
»Du redest von ihm in der V ergangenheit.«
»Ja, er ist vor zehn Jahren gestorben. Meine Mutter, die so zierlich, sanft und schüchtern ist, wie mein V ater ungestüm war, lebt noch immer im Nordwesten.«
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als das Essen serviert wurde. Kathleen war überrascht, dass sie nach allem überhaupt A ppetit hatte, und machte sich herzlich wenig damenhaft über ihre Platte her. Das Restaurant im Crescent genoss den Ruf, gute Küche mit exzellentem Service zu verbinden. Erik war von dem Essen begeistert.
Kathleen schlug das A ngebot eines Desserts aus, ließ sich aber überreden, von einer der übriggebliebenen Honigrollen zu naschen, während sie noch eine T asse Kaffee nach dem Essen tranken.
Als Erik die Rechnung erhielt, wurde ihr V orschlag, ihren T eil selbst zu bezahlen, mit einem finsteren Blick beantwortet.
»Aber es war doch Ednas Idee hierherzukommen,«
»Miss Haley, ich bin sehr für die
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