Glutopfer. Thriller
sich, gelesen zu haben, wie in einem der Blocks von Auschwitz mehr als fünfhundert Mann aufgereiht auf dem Hof standen, um an einem Sonntagmorgen die Sonne zu genießen – nur dann war so etwas in den Lagern erlaubt.
Die Ruhe und der kurze Frieden hatten ein Ende, als ein besonders übler Kapo zum Mützendrill rief. Dieser einfache Drill verlangte, dass jeder Gefangene seine Schiebermütze vom geschorenen Kopf nahm und mit der flachen Hand gegen den rechten Oberschenkel schlug. Was wie irgendeine militärähnliche Übung aussah, war im Grunde ein Vorwand, um die Reihen zu lichten, um Männer zu exekutieren, weil sie dem einfachen Befehl nicht folgen konnten.
Der Erste, der hingerichtet wurde, hatte eine deformierte rechte Hand und konnte den Befehl nicht genau und präzise ausführen. Das zweite Opfer war gehörlos und nahm ihn gar nicht wahr.
Kopfschuss, nur weil sie ihre Mützen nicht genau nach Befehl abnehmen konnten. Getötet von ihresgleichen. Misshandelt, geschlagen, ermordet von ihren eigenen Leuten. Die Nazis waren nun einmal bösartige deutsche Dreckskerle, Tiere im Grunde, aber seine eigenen Leute, die ihre Seelen dadurch in die Verdammnis schickten, dass sie ihre Brüder verrieten – das konnte er nicht verstehen und nicht ertragen.
Er kann nicht einfach tatenlos zusehen, wie die Nachkommen so schwacher und niederträchtiger Menschen ein sorgenfreies, unbeschwertes Leben genießen. Nein. Gott bewahre!
Zu schade, dass Ben noch bewusstlos ist. Er könnte Zeuge von etwas Außergewöhnlichem sein. Aber er schläft stattdessen und hat bestimmt ganz gewöhnliche Träume.
Ben ist nicht der letzte Abkömmling dieser überlebenden Kapos, den er bestrafen wird. Es gibt noch einen, doch zur Vollendung seines Plans musste er auch auf ein paar weniger wertvolle Opfergaben zurückgreifen – die fürs Erste niemand vermissen wird, wie diese Obdachlosen aus Tallahassee und Panama City.
Er würde seine Brandopfer gern auf die Nachkommen von Kapos und Vorarbeitern beschränken, aber weil er so viele braucht, ist er gezwungen, andere Selektionsmethoden anzuwenden, und dabei geht er ebenso willkürlich vor wie damals die Nazis und Kapos.
Er braucht sie für die Altäre, für den Zug, für das Massengrab dahinten, für die Öfen, seine kostbaren, handgearbeiteten Öfen. Er hat nicht viele, aber genug, um dem Todeslager in kleinerem Maßstab ungefähr zu entsprechen. Inzwischen wünscht er, er hätte die halbverbrannten Leichen behalten, mit denen er erste Experimente angestellt hat, doch ihm war nicht klar gewesen, dass er sie brauchen würde, und in seinen Anfängen konnte er nicht in vollem Umfang erkennen, wozu Jahwe ihn berufen hat.
Er legt den gefesselten Ben nicht weit von einem der Krematorien ab, die er gebaut hat, und zieht seine Handschuhe an.
Die Öfen sind denen in den Todeslagern der Nazis nachgebaut, aus Backstein, mit Stahlstangen, auf denen die Leichen liegen und die hinein in die Öfen führen.
Er packt die Stangen mit seinen behandschuhten Händen und hebt sie mit einem Ruck hoch, wie ein Gewichtheber. Die Leiche auf den Stangen liegt nun in einem Winkel von neunzig Grad und rutscht in den großen, quadratischen Ofen, wo Funken und Flammen hochschießen.
»Du wusstest, dass ich dich nicht allein gehen lassen würde, oder?«, fragt Sam.
»Ich habe es gehofft«, sagt Daniel.
Sie sitzen in Sams Wagen, der im North Florida Wildlife Preserve nicht weit von den Gleisen geparkt ist, und seit sie dort sind, scheint die Nachmittagssonne schneller zu sinken.
»Und du wusstest, wenn ich mitkomme, wäre ich nicht so dumm, auf Verstärkung zu verzichten.«
»Ich weiß, dass du nicht dumm bist.«
In der Nähe laden Travis Brogdon und Adam Whitten schwere, vierradgetriebene Quads von einem Anhänger, der an Travis’ Pick-up befestigt ist.
»Ich weiß nicht«, sagt sie. »Vielleicht ist das mit der Verstärkung auch eine dumme Idee.«
»Wieso?«
»Schau dir unsere Verstärkung an«, sagt sie.
Er blickt zu Travis und Adam hinüber.
»Wir haben Barney Five und Goober.«
»Ruf das SWAT -Team«, sagt er.
»Die wären nicht rechtzeitig hier. Außerdem bin ich aus dem Fall raus. Ich kann überhaupt niemand rufen. Und was ist, wenn du dich irrst? Was ist, wenn wir unsere Zeit hier draußen im Wald verplempern, statt an den Beweismitteln zu arbeiten, und er ist irgendwo anders?«
»Wie wär’s, wenn du dich um die Beweismittel kümmerst und mich, Travis und Adam hier draußen suchen lässt?«
»Und
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