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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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respektvoll sein, wenn es die Situation tatsächlich erforderte. Ich hatte noch eine Frage. Sie betraf ein anderes schwieriges Gebiet. »Weiß Petronius, daß ich mehr Spielraum bekommen habe, als er wollte?«
    »Sie können es ihm sagen, wenn Sie ihn sehen«, meinte Marcus Rubella wie ein Mann, der wirklich nicht begriff, daß er gerade einer sehr alten Freundschaft den Garaus gemacht hatte. Als ich die Tür schloß, lächelte er immer noch freundlich.
    Er mochte einer jener undurchschaubaren Typen sein, die so tun, als würden sie keinen Finger krumm machen, und die gleichzeitig doch alles genau im Blick haben, auf zwischenmenschliche Beziehungen mit Wärme reagieren und ihre Pflicht der Öffentlichkeit gegenüber sehr ernst nehmen. Er mochte loyal, vertrauenswürdig und intelligent sein.
    Andererseits könnte er aber auch genau so sein, wie er wirkte, nämlich: ein faules, gedankenloses Schwein, das es weit gebracht hat.

XVII
    Nonnius wohnte im Zwölften Bezirk – zwei Straßen entfernt von Helena Justinas Vater. Was beweist, daß man sich mit Geld ehrbare Nachbarn kaufen kann – oder ein Haus neben einem Verbrecher. Es war genauso wie die Gegend, in der ich wohnte. Die Kriminellen an der Porta Capena waren nur reicher und raffinierter als die in der Brunnenpromenade.
    Der Senator war Millionär; das mußte er sein. Mehr war als Qualifikation für seinen Beruf nicht erforderlich. Wer braucht schon so außergewöhnliche Talente wie Urteilsvermögen oder gar Ehrgefühl, um dreimal im Monat in einer Versammlung abzustimmen? Aber eine Million zu besitzen hilft, hab ich mir sagen lassen, und die Familie Camillus führte ein angenehmes Leben. Helenas Mutter trug ihre Jaspiskette sogar, wenn sie zu ihrer Maniküre ging.
    Nonnius Albius war der oberste Schutzgeldeintreiber für einen Verbrecherboss gewesen. Die notwendigen Qualifikationen für seinen Beruf waren simpel: Beharrlichkeit und Brutalität. Diese Eigenschaften über dreißig Jahre zur Verfügung zu stellen, hatte ihm das Recht eingetragen, genau wie ein Senator an der Porta Capena zu wohnen, und seine eigene Villa zu besitzen – wobei die Häuser der Senatoren meist mit Hypotheken belastet waren. Sein Haus, das bescheiden wirkte, es aber nicht war, hatte einen unscheinbaren Portikus, um ja keine Aufmerksamkeit zu erregen. Hier mußten die Besucher warten, nachdem ein knurriger Pförtner durch ein abschreckend wirkendes Eisengitter gelinst hatte und dann mit der Nachricht von ihrer Ankunft im Inneren des Hauses verschwand.
    »Das ist ja, als würde man einen Konsul besuchen!« staunte ich.
    Fusculus verzog das Gesicht. »Nur, daß Nonnius’ Leibwächter besser erzogen und höflicher sind als die Liktoren eines Konsuls.«
    Hier standen die gleichen Töpfe mit gut gepflegten Lorbeerbüschen wie vor dem Haus von Helenas Vater. Den Lieferanten von Ziersträuchern an der Porta Capena interessierte es offensichtlich nicht, wer seine Kunden waren.
    »Was hältst du von Rubella?« wollte Fusculus wissen, während wir immer noch in dem unscheinbaren Portikus rumstanden und darauf warteten, vom Pförtner eingelassen zu werden. »Seltsamer Typ, was?«
    »Er hat einen heimlichen Kummer.«
    »Ach? Und welchen, Falco?«
    »Woher soll ich das wissen? Ist doch geheim.«
    Petros Jungs hatten gegen zu viele blöde Holzköpfe ermittelt. Keiner von ihnen merkte, wenn man ihn auf den Arm nahm. »Und ich dachte, du hättest was entdeckt.«
    »Nein«, erklärte ich freundlich. »Ich bin nur ganz geil darauf, wild über Leute zu spekulieren, die ich gerade erst kennengelernt habe.«
    Fusculus warf mir einen nervösen Blick zu.
    Nonnius war, wie alle Welt wußte, ein sterbender Mann. Wir sahen selbst, daß dem so war, denn als wir zu ihm geführt wurden, lag er auf einem Lesediwan – ohne zu lesen – und aß langsam eine Schüssel auserlesene, lila Pflaumen leer. Diese handgepflückten Früchte, aus denen öliger, bernsteinfarbener Saft troff, schicken tiefbetroffene Freunde Kranken zum Trost. Vielleicht soll der Gedanke, daß Freunde ganze Börsen voller Silber für einen ausgeben, von den Schmerzen ablenken.
    Die Schüssel, in der sie lagen, war auch nicht von schlechten Eltern: eine große Bronzeangelegenheit, der hübsche Fuß aus drei miteinander verbundenen Delphinen geformt und als Henkel Seepferdchen. Für einen Kranken war sie viel zu schwer, deshalb wurde sie von einem niedlichen, achtjährigen mauretanischen Sklavenjungen in einer sehr kurzen, mit Goldfransen besetzten

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