Gnadenlose Jagd
betrachtete die goldfarbenen Sanddünen, die das Lager umgaben. Die Zeit, die er vor einem Jahr mit dem Stamm verbracht hatte, hatte er sehr genossen. Nachdem er das Vertrauen dieser Leute gewonnen hatte, waren sie freundlich und entgegenkommend gewesen. Er wollte sie nicht in Gefahr bringen, aber er brauchte ihre Hilfe, verdammt noch mal. Grace und Frankie aus Marvots Klauen zu befreien würde nur der erste Schritt sein. Selbst wenn es Grace gelang, zu tun, was Marvot wollte, würde der Dreckskerl sie trotzdem töten, da war sich Kilmer ganz sicher.
Die Frage war nur, wann.
15
»INTERESSANTER TAG«, SAGTE MARVOT. »Ich habe nur nicht viel Fortschritt gesehen.«
»Aber es gab eine Menge Fortschritte«, antwortete Grace, während sie das Koppeltor schloss, ohne Marvot anzusehen. »Am späten Nachmittag hätten die beiden zweimal Gelegenheit gehabt, mich anzugreifen. Sie haben es nicht getan. – Komm, Frankie. Wir wollen uns waschen und dann etwas essen.«
»Erster Tag«, sagte Marvot. »Und ich habe auch nicht gesehen, dass Ihre Tochter in irgendeiner Weise mitgewirkt hätte.«
Dreckskerl.
»Sie hat mir geholfen. Ich hatte ihr aufgetragen, die Pferde genau zu beobachten.« Sie schob Frankie vor sich her. »Sie können nicht viel erwarten.«
»Im Gegenteil, ich erwarte alles. Ich freue mich jetzt schon darauf, sie auf dem Rücken von einem der Zwei zu sehen. Haben Sie schon entschieden, auf welchem sie reiten soll?«
»Nein.« Während sie Frankie hastig in Richtung Stall führte, spürte sie Marvots Blick in ihrem Nacken.
Frankie schwieg, bis sie den Stall erreichten. »Wovon hat der geredet? Soll ich auf einem von den beiden Pferden reiten?«
»Das hätte er gern. Aber das bedeutet nicht, dass du es tun musst.«
»Warum will er das denn?«
»Weil er weiß, dass es mich ängstigen würde. Er sagt, es soll ein gutes Beispiel für seinen Sohn sein, aber das glaube ich ihm nicht.«
»Guillaume«, murmelte Frankie nachdenklich. »Wie es wohl ist, so einen Vater zu haben. Ich fand Guillaume ziemlich unsympathisch, aber wenn er einen anderen Vater hätte, wäre er vielleicht netter. Meinst du nicht auch?«
»Ich finde, du solltest dir über Guillaume nicht den Kopf zerbrechen. Wir haben auch so schon genug Sorgen.«
Frankie nickte. »Wenn du willst, versuche ich, auf einem der beiden Pferde zu reiten.«
»Nein, das will ich nicht.« Aber sie hatte den ganzen Tag daran denken müssen. Ob sie Frankie in ihrer Nähe behalten durfte, hing davon ab, ob sie Marvot glaubhaft machen konnte, dass sie ihre Hilfe brauchte. Es hatte sie nicht gewundert, Marvot plötzlich an der Koppel zu entdecken. »Andererseits – wenn Marvot dich einmal auf einem der Pferde reiten sieht, geht er danach vielleicht weniger streng mit uns um. Was meinst du?«
»Es macht mir Angst.« Frankie verzog das Gesicht. »Aber bevor ich mit Darling das erste Mal gesprungen bin, hatte ich auch Angst.«
Doch im Vergleich zu den Zweien war Darling ein Schmusekater. »Du hast mir heute dreimal gesagt, dass Hope als Erste angegriffen hat. Würdest du lieber versuchen, auf Charlie zu reiten?«
Frankie schüttelte den Kopf. »Ich mag Hope. Sie tut mir leid.«
»Obwohl sie im Moment so angriffslustig ist?«
»Ich mag sie einfach«, wiederholte Frankie trotzig. »Wenn du sie von Charlie trennen könntest, würde sie mich vielleicht auch mögen. Wenn Charlie da ist, braucht sie sonst niemanden.«
»Damals, als ich eine Weile hier war, haben wir schon mal ausprobiert, die beiden voneinander zu trennen. Es schien keine Auswirkungen auf sie zu haben.«
»Könnten wir es noch mal versuchen?«
Grace nickte. »Morgen.«
Frankie lächelte. »Super. Wenn Hope und ich uns erst mal kennengelernt haben, hab ich bestimmt nicht mehr so große Angst vor ihr.« Sie überlegte. »Für mich ist es schwerer als für dich. Du lachst zwar immer, wenn ich darüber rede, aber Charlie hat mir gesagt, dass Pferde einen wirklich verstehen, dass manche Menschen über … magische Kräfte verfügen.«
»Ich bin keine Magierin, red keinen Blödsinn.«
»Aber Charlie hat gesagt, du –«
»Ich kann gut mit Pferden umgehen, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich –« Sie unterbrach sich. Sie hatte immer gewollt, dass Frankie in der Realität lebte, und ihr besonderes Talent war zweifellos ein bisschen merkwürdig. Aber jetzt befanden sie sich gemeinsam in dieser teuflischen Situation, und sie sollte ihrer Tochter gegenüber ehrlich sein. »Ich bin keine
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