Gnadenlose Jagd
Ich musste sehr schnell handeln, um vier meiner Männer in Sicherheit zu bringen, die in der Nacht aus El Tariq verschwinden mussten. Dein Vater war in Tanger. Ich hätte gar keine Zeit gehabt, zu ihm zu gelangen, bevor Marvot ihm eine Falle stellen konnte.«
»Und mich hast du auch nicht zu ihm gehen lassen.« Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. »Du hast mich zusammengeschlagen und mich in diesem verdammten Keller eingesperrt. Ich hatte dich nicht um Hilfe gebeten, ich brauchte dich nicht. Ich hätte meinen Vater ohne fremde Hilfe finden können.«
»Marvot hätte dich bereits erwartet. Ich hab deinem Vater eine Warnung zukommen lassen, für den Fall, dass ich mich irre. Er hat Tanger nicht verlassen. Was schließt du daraus?«
»Vielleicht hat er deine Warnung nicht rechtzeitig bekommen.«
»Doch, hat er.« Kilmer schüttelte den Kopf. »Aber er brauchte keine Warnung. Er wusste, was in Tariq vorgefallen war.«
»Er wusste es nicht. Er hat die CIA überhaupt erst über die Sache mit Marvot informiert. Er hat mir den Job in El Tariq besorgt. Es war nicht seine Schuld, dass Marvot einen Tipp bekommen hat.«
»Ich hab’s dir schon mal gesagt, Grace. Dein Vater hat ihm den Tipp gegeben.«
»Nein, das ist eine Lüge. So etwas hätte er niemals getan. Er wusste doch, dass ich dort war. Er hat mich geliebt.«
Kilmer sagte nichts.
»Er hat mich geliebt« ,wiederholte sie.
»Vielleicht hat er geglaubt, er könnte dich da rausholen, bevor der Himmel einstürzt. Aber wir hatten unsere Mission schon fast beendet.« Er zuckte die Achseln. »Wir haben das doch schon alles vor Jahren durchgekaut. Damals hast du mir nicht geglaubt, also wirst du mir heute auch nicht glauben. Lassen wir also das Thema und kümmern uns um das, was ansteht. Du brauchst mich zu Frankies Schutz, und ich habe die Mittel und die Bereitschaft, die Aufgabe zu übernehmen. Lass mich dir helfen.«
Grace bemühte sich, ihren Ärger und das Gefühl des Verrats, das mit diesen Erinnerungen zurückgekommen war, zu unterdrücken. Sie schüttelte den Kopf. »Ich schaffe das allein.« Ihr Blick wanderte zu Frankie und Robert, die auf der anderen Seite des Hofs beieinanderstanden. »Ich muss zu den beiden rüber. Frankie wirkt zum Glück nicht allzu unglücklich.«
»Hängt sie sehr an ihm?«
Sie ging los. »Ja.«
»Und du?«
Sie schaute Kilmer über die Schulter hinweg an. »Wie bitte?«
»Schläfst du mit ihm?«
Sie blieb stehen. »Das geht dich nichts an.«
»Ich weiß. Scheint auch keine Rolle zu spielen.«
Sein Ton war ruhig, aber in seiner Stimme lag die ganze Intensität, an die sie sich so gut erinnerte.
Gott, und ihr Körper reagierte bereits auf ihn, als läge ihre intime Zeit nicht neun Jahre, sondern einen Tag zurück.
Nein!
»Es spielt keine Rolle, was ich empfinde, Grace«, sagte er. »Du wirst völlig unabhängig in deinen Entscheidungen sein, wenn du dich dazu entschließt, mir zu vertrauen und mir die Lösung des Problems zu überlassen.«
Ihm gegenüber hatte sie sich noch nie in ihren Entscheidungen unabhängig gefühlt. Er hatte sie nur berühren müssen, schon war sie willenlos dahingeschmolzen. Diese sexuelle Hörigkeit hatte sie verwirrt und verängstigt. Anfangs hatte sie das Ganze als simple Heldenverehrung abgetan, aber in den folgenden Wochen hatte es mehr und mehr wie eine Droge gewirkt und war völlig außer Kontrolle geraten.
Es konnte jetzt nicht dasselbe Gefühl sein. Sie war inzwischen älter und hatte jeden Grund, Wut und Abscheu für ihn zu empfinden.
In seinem Lächeln lag ein Anflug von Traurigkeit. »Für dich scheint es auch keine große Rolle zu spielen, hab ich recht? Mach dir nichts draus. Hormone haben nichts mit Logik zu tun.« Er wandte sich ab. »Ich werde heute Nacht in der Nähe deines Motels bleiben. Ich habe Blockman eine Karte mit meiner Handynummer gegeben. Wenn du mich brauchst, ruf mich an.« Er ging in Richtung Straße.
Sie war froh, dass er fort war. Dieser Augenblick hatte sie völlig durcheinandergebracht, und sie wollte sich im Moment nicht mit ihm auseinandersetzen. Sie war davon ausgegangen, dass sie ihn aus ihrem Leben verbannt hatte. Doch ihre körperlichen Reaktionen schloss das offenbar nicht mit ein.
Damit konnte sie umgehen. Vielleicht hatte ihre Affäre zu abrupt geendet, um endgültig erledigt zu sein. In solchen Fällen war es wahrscheinlich ganz normal, dass noch Restgefühle übrig blieben. Vielleicht würde es schon bei ihrer nächsten Begegnung keinerlei
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