Gnadenlose Jagd
Sohn hat sie schon gegen sich aufgebracht. Ich glaube, Guillaume hätte seine helle Freude daran, wenn ich sie in eine Box mit einem von den Zweien werfen würde.«
»Das wundert mich gar nicht, schließlich ist er Ihr Sohn. Die Blutrünstigkeit scheint bei Ihnen in der Familie zu liegen.«
»Glauben Sie etwa, mit so etwas könnten Sie mich ärgern? Das liegt tatsächlich in der Familie, und ich schäme mich nicht dafür. Mein Vater und mein Großvater waren beide mächtige Männer, und Blut ist das Zeichen der Macht. Kein Machthaber, der nicht bereit war, Blut zu vergießen, hat sich jemals in der Geschichte einen Namen gemacht. Napoleon, Alexander der Große, Julius Cäsar.«
»Attila, Hitler, Saddam Hussein.«
Er lachte. »Noch besser. Absolute Macht gepaart mit Rücksichtslosigkeit.«
Dabei machte er gar keinen barbarischen Eindruck, dachte Grace. Marvot war etwa Mitte vierzig, mit kurzem, graumeliertem Haar, schönen Gesichtszügen und einem muskulösen Körper. Er trug eine teure weiße Hose und dazu ein weites Hemd, was ihm eine lässige Eleganz verlieh. »Sind das Ihre Helden?«
»Nein, sie alle haben dumme Fehler begangen.« Er öffnete die Stalltür. »Eine Fehleinschätzung ist akzeptabel. Dummheit nicht. Zum Beispiel dachte ich, Kilmer hätte seine Niederlage gegen mich vor all den Jahren vergessen. Eine Fehleinschätzung, die aber leicht korrigiert werden kann.« Er ließ ihr den Vortritt. »Die erste Box.«
Sie eilte an ihm vorbei.
O Gott, Frankie.
Sie starrte ihre Tochter an, die schmutzig, mit verfilzten Haaren und gefesselt im Dreck lag.
»Hallo, Mom.« Frankie richtete sich halb auf, so dass sie sich gegen die Boxenwand lehnen konnte. »Sieh mich nicht so an. Es geht mir gut. Ehrlich.«
»Dir geht es alles andere als gut.« Grace kniete sich neben sie und nahm sie in die Arme. »Aber es wird dir wieder gut gehen, Kleines.« Mit Tränen in den Augen wiegte sie ihre Tochter hin und her. »Dafür werde ich sorgen. Das verspreche ich dir.«
Frankie flüsterte: »Der Mann ist gefährlich. Wir müssen vorsichtig sein.«
»Ich weiß.« Über die Schulter hinweg sah sie Marvot an. »Sie Dreckskerl. Mussten Sie sie so behandeln?«
»Ja, ich dachte, es wird Ihnen klarmachen, dass ich es ernst meine. Jetzt werden Sie wohl wesentlich zugänglicher sein, nicht wahr? Aber nachdem das erreicht ist, werde ich mich etwas großzügiger zeigen.« Er betrachtete Frankie. »Ich werde Ihnen sogar gestatten, die Schürfwunden an den Handgelenken Ihrer Tochter zu säubern, damit sie sich nicht entzünden.«
Beim Anblick von Frankies Handgelenken packte Grace die Wut. Die Abschürfungen waren oberflächlich, jedoch bereits vom Pferdemist verdreckt. »Bringen Sie mir Wasser und ein Desinfektionsmittel.«
»Sobald wir uns einig geworden sind, werde ich alles Nötige holen lassen. Sie arbeiten mit den Zweien, bis sie handzahm sind. Abgemacht?«
»Die werden niemals handzahm.«
»Dann eben, bis sie tun, was man von ihnen verlangt.«
Sie nickte. »Wenn Sie es mich auf meine Weise tun lassen.«
»Selbstverständlich. Ich habe großen Respekt vor Ihren Fähigkeiten. Und ich hege keine Befürchtungen, dass Sie versuchen könnten, Zeit zu schinden. So ein hübsches kleines Mädchen …« Er wandte sich ab. »Jetzt werde ich Sie mit Ihrer Tochter allein lassen, damit Sie sich davon überzeugen können, wie gut wir sie behandelt haben. Zumindest vergleichsweise gut. Kommen Sie ins Haus, sobald Sie fertig sind. Ich erwarte Sie in meinem Arbeitszimmer, dort können wir uns über die Einzelheiten unterhalten. Sie dürfen sich auf dem Grundstück frei bewegen, aber sie werden natürlich auf Schritt und Tritt überwacht.«
Grace wartete, bis Marvot den Stall verlassen hatte, dann sagte sie zu Frankie: »Tut dir sonst noch etwas weh?« Sie betastete Frankies Körper. »Hat er dich geschlagen oder sonstwie rau angefasst?«
»Dieser Hanley hat mich geohrfeigt«, sagte Frankie. Dann fügte sie hinzu: »Nachdem ich ihn gebissen hatte.«
Grace bemerkte die Rötung an Frankies linker Wange. »Sonst noch was? Was ist bei dem Unfall passiert? Hast du dir da den Kopf gestoßen?«
Frankie schüttelte den Kopf. »Alles in Ordnung.«
»Nein, es ist nichts in Ordnung.« Als sie Frankies Handgelenke betrachtete, kam erneut ihre Wut hoch. »Die haben dir wehgetan.«
»Das hab ich selbst getan. Du hast mir immer gesagt, ich soll mich wehren, aber das konnte ich nicht mit gefesselten Händen.«
»Ich hatte eine zu große Klappe.
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