Gnadenlose Jagd
stand neben dem Mann, zu dem Hanley sie gebracht hatte. Marvot. »Die Zwei werden sie tottrampeln.«
Marvot lachte leise. »Vielleicht. Darüber würde Hanley sich freuen. Aber ich habe ihre Mutter herbestellt, die soll mit den Zweien arbeiten. Unsere kleine Francesca ist nur ein Mittel zum Zweck.« Marvot hob die Taschenlampe und leuchtete ihr ins Gesicht. »Ich habe meinen Sohn Guillaume mitgebracht, damit er dich kennenlernt. Er hat gesehen, wie Hanley dich in den Stall getragen hat, und war neugierig. Sag hallo, Guillaume.«
»Hallo«, sagte der Junge teilnahmslos. »Was passiert mit ihr?«
»Was hättest du denn gern?«
Guillaume schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
»Ich glaube doch, dass du es weißt. Du hast eben die Zwei erwähnt.«
Guillaume leckte sich die Lippen. »Ich dachte nur … sie ist wie ich. Ich hätte nicht gedacht, dass du ihr wehtun würdest.«
»Aber du wolltest wissen, ob ich sie genauso behandeln werde wie jeden anderen. Die Antwort lautet Ja. Bloß weil sie ein Kind ist, heißt das nicht, dass ich bei ihr eine Ausnahme mache.« Dann sagte er zu Frankie: »Schreib dir das hinter die Ohren. Wenn deine Mutter kommt, musst du sie dazu bringen, dass sie tut, was ich von ihr verlange.«
»Willst du sie hierlassen?«, fragte Guillaume. »Sie ist ganz schmutzig.« Er zog angewidert die Nase kraus. »Und sie stinkt.«
»Du auch«, fauchte Frankie. »Du stinkst.« Sie funkelte Marvot wütend an. »Und Sie auch.«
Marvot lachte in sich hinein. »Ist sie nicht entzückend? Keine Angst. Ich sollte sie eine Weile hierbehalten. Von ihr kannst du noch was lernen.«
Guillaume zog einen Schmollmund. »Ich mag sie nicht.«
»Siehst du. Schon hast du was gelernt: Eifersucht.« Er lächelte Frankie an. »Hier im Stall wird es nachts ziemlich kalt. Wenn du dich bei meinem Sohn entschuldigen würdest, könnte ich mich dazu hinreißen lassen, dir eine Decke zu geben.«
Sie starrte ihn nur zornig an.
»Wie du willst. Komm, Guillaume.«
»Darf ich noch mal herkommen?«
»Wenn du brav bist.« Marvot schaute Frankie an. »Du solltest dir gut überlegen, mit wem du dich anlegst, Francesca. Mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass Guillaume ziemlich grausam sein kann …«
Dann verschwanden sie.
Erleichtert holte Frankie tief Luft. Gott, hatte sie eine Angst.
Aber sie durfte sich von den beiden nicht einschüchtern lassen, denn genau das wollten sie.
In der Schule hatte es auch Jungs gegeben, die versucht hatten, sie einzuschüchtern, aber ihre Mutter hatte gesagt, wenn sie denen gegenüber klein beigab, würden sie sie nie in Ruhe lassen.
Sie würde nicht klein beigeben.
Aber sie war noch nie eingesperrt und gefesselt gewesen, und das auch noch an einem so unheimlichen Ort.
Keine Angst. Sie musste versuchen, die Fesseln von ihren Handgelenken zu lösen.
Keine Angst …
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, Sie zu sehen«, sagte Marvot lächelnd, als Grace in sein Arbeitszimmer geführt wurde. »Ich hatte schon immer das Gefühl, dass wir uns eines Tages wiedersehen würden. Es war wirklich sehr unhöflich von Ihnen, mich so lange warten zu lassen.«
»Wo ist meine Tochter?«
»Es ist ihr nichts passiert – jedenfalls nichts Schlimmes.«
Grace blieb vor Schreck fast das Herz stehen. »Was soll das heißen?«
»Nun, gestern Abend hat sie versucht, ihre Fesseln zu lösen und sich dabei die Haut an den Handgelenken aufgeschürft. Beinahe hätte sie es geschafft. Wenn nicht heute Morgen einer meiner Stallburschen nach ihr gesehen hätte, hätte ich womöglich kein Pfand mehr gegen Sie in der Hand, denn einer meiner Wachleute hätte sie ganz gewiss erschossen.«
»Ich will sie sehen.«
»Das werden Sie.«
»Auf der Stelle.«
Marvot zuckte mit den Achseln. »Sie sind sehr anspruchsvoll. Ich möchte Sie daran erinnern, dass ich hier das Sagen habe.« Er stand auf. »Aber ich kann verstehen, dass Sie voller mütterlicher Sorge sind. Kommen Sie. Wir können uns auf dem Weg zum Stall unterhalten.«
»Ich will meine Tochter sehen.«
»Das sagten Sie bereits. Ihre Tochter befindet sich in einer Box im Pferdestall. Nachdem sie sich Hanley gegenüber so ungebührlich betragen hat, war ich der Meinung, wenn sie sich schon wie ein Tier aufführt, sollte sie auch im Stall untergebracht werden. Hanley hat meine Entscheidung sehr begrüßt.« Er ging ihr voraus in Richtung Stall. »Mit ihrer trotzigen Haltung macht Ihre Tochter es sich nicht gerade leichter. Sogar meinen
Weitere Kostenlose Bücher