Gnadentod
hatte nie das Gefühl, dass sie … Ich weiß nicht, es ist schwierig, das richtige Wort dafür zu finden. Es war so, als wäre sie aus Luft - man bekam sie nicht zu fassen … Ich kann einfach nicht erklären, was sie getan hat, Dr. Delaware. Mein Dad und Eric haben Mate die Schuld gegeben, es war das große Thema bei uns zu Hause, was für ein Ungeheuer er war. Aber das ist nicht wahr, sie können bloß die Wahrheit nicht ertragen: Es war ihre Entscheidung, nicht wahr?«
Sie drehte sich zu mir um. Sie wollte eine richtige Antwort, keine therapeutische Reflexion.
»Im Grunde genommen, ja«, sagte ich.
»Mate war nur das Vehikel - sie hätte jeden aussuchen können. Sie ist gegangen, weil ihr einfach nicht genug daran lag, es weiter zu versuchen. Sie traf eine Entscheidung, uns zu verlassen, ohne sich von uns zu verabschieden.«
Sie überkreuzte die Arme über der Brust und zog die Schultern nach vorn, als hielten die Gurte einer Zwangsjacke sie gefangen.
»Natürlich«, sagte sie, »waren da die Schmerzen, aber …« Sie nagte kopfschüttelnd an ihrer Unterlippe. »Aber was?«, sagte ich.
»Trotz all der Schmerzen hat sie immer weiter gegessen - sie hatte so eine gute Figur. Das war immer eine große Sache bei uns - ihre Figur, die Konstitution meines Vaters. Sie haben beide immer die knappsten Badesachen getragen. Es war peinlich. Ich erinnere mich noch an einen Tag, als die Manitows bei uns zum Schwimmen waren und Mom und Dad im Pool waren … sie befummelten sich gegenseitig. Und Dr. Manitow starrte sie nur an, als wollte er sagen: Wie geschmacklos - trotzdem nehme ich an, das war etwas Gutes. Habe ich Recht? Die Tatsache, dass sie einander attraktiv fanden. Mein Vater redete immer davon, dass sie nicht so schnell alterten wie alle anderen, sie würden immer junge Leute bleiben. Und dann hat sich Mom einfach … aufgeblasen. «
Sie machte einen Schritt, setzte ihren Fuß fest auf den Boden und blieb wieder stehen. Sie kämpfte mit den Tränen. »Was hat es für einen Sinn, immer weiter darüber zu reden? Sie hat es getan, es ist vorbei, egal … Ich muss mich an die guten Dinge erinnern, nicht wahr? Weil sie wirklich eine gute Mutter war … Das weiß ich.«
Sie schob sich etwas näher an mich heran. »Jeder redet davon, man müsse einen Schlussstrich ziehen und seinen Weg weitergehen. Aber wo soll ich hin, Dr. Delaware?«
»Das müssen wir herausfinden. Das ist der Grund, aus dem ich hier bin.«
»Ja. Das sind Sie.« Sie warf sich nach vorn und schlang die Arme um mich. Ihre Hände gruben sich in meinen Mantel. Ihr lockiges, frisch gewaschenes Haar - das Shampoo war zu süß und duftete intensiv nach Aprikose - kitzelte in meiner Nase.
Ein Zuschauer aus einiger Entfernung hätte bestimmt gedacht: eine Romanze am Strand.
Professionell würde ich mich verhalten, wenn ich mich aus ihrer Umarmung löste. Ich entschied mich für einen Kompromiss, indem ich einen Arm herunterhängen ließ und mit dem anderen sanft ihren Rücken tätschelte. Bevor die Anwälte ins Spiel kamen, hatte man das als therapeutischen Touch bezeichnet.
Nach einer kurzen Weile zog ich mich vorsichtig zurück.
Sie lächelte. Wir setzten unseren Spaziergang fort. Ich hielt genug Abstand zwischen uns, um eine zufällige Berührung unserer Hände zu vermeiden.
»Das College«, sagte sie lachend. »Darüber sollten wir uns eigentlich heute Morgen unterhalten.«
»Das College ist nicht Ihre gesamte Zukunft, aber es ist ein Teil davon«, sagte ich. »Ein Teil davon, wo Sie hin sollen.«
»Ein kleiner Teil. Also keine besonders große Sache, ich werde Daddy glücklich machen und mich in Stanford bewerben. Wenn sie mich nehmen, gehe ich hin. Warum nicht? Ein College ist so gut wie das andere. Ich bin keine verzogene Göre. Ich weiß, ich kann mich glücklich schätzen, dass mein Dad es sich leisten kann, mich an ein solches College zu schicken. Aber es gibt andere Dinge, über die wir reden müssen, nicht wahr? Wenn Sie mir glauben, dass ich den Termin nicht wieder sausen lasse, kann ich morgen zu Ihnen kommen - wenn Sie Zeit haben.«
»Ich habe Zeit. Wie wär’s nach der Schule - um fünf Uhr.«
»Ja«, sagte sie. »Vielen, vielen Dank … Ich sehe jetzt lieber zu, dass ich nach Hause komme. Mal sehen, ob Dad angerufen hat, vielleicht hat er Eric gefunden - er wird wahrscheinlich in das Wohnheim gestürmt kommen und meinen Vater beschimpfen, weil er den Flieger genommen hat.«
Wir kehrten um.
Als wir neben dem Mustang standen,
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