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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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Hätte Elijah nicht die heiteren Farben dieser Frau gesehen, hätte er sie für ärgerlich gehalten.
    «Miss Washington ist ebenfalls indisponiert.» Miss Zinser wartete einen Moment, dann fuhr sie fort: «Bevor wir beginnen, möchte ich euch gern jemanden vorstellen. Ich bin nicht sicher, ob Dar … ob Miss Washington es euch erzählt hat, aber ihr seid nicht die einzigen Schüler an der Oppenheimer.»
    Elijah und Winter sahen sich an. Während Winter neugierig schien, war Elijah in Sorge. Andere Schüler bedeuteten Cliquen. Und Cliquen bedeuteten Außenseiter. Und das bedeutete, dass Elijahs Freundschaft mit Winter bald schon ein abruptes Ende finden würde.
    In diesem Moment ging die Klassentür auf, und ein dünnes, hochaufgeschossenes Mädchen kam herein. Ihrer Größe nach zu urteilen, war sie älter, wahrscheinlich in der zehnten Klasse. Misstrauisch sah sie erst Elijah und Winter an, dann Miss Zinser.
    «Perfektes Timing», sagte Miss Zinser zu dem Mädchen. «Gerade habe ich von dir gesprochen. Das ist Jill Willoughby. Jill, das sind Elijah Cohen und Winter Xu. Sie werden hier mit dir gemeinsam am Unterricht teilnehmen.»
    «Hallo», sagte Jill.
    Zwar verzog sie ihr Gesicht zu einem höflichen Lächeln, doch Elijah sah die dunkelrote Eifersucht dahinter. Jill starrte ihm in die Augen. Elijah wandte sich von ihr ab, doch er behielt sie mental im Auge – von den prallen Farben, die sie umgaben, konnte er sich gar nicht abwenden.
    Plötzlich spürte er heftigen Druck, als presste ihm eine unsichtbare Hand das Leben aus. Jills Farben schwächten sich zu einem Flackern ab. Elijah schluckte. Irgendwie hatte sie gemerkt, dass er sie anstarrte, und sich ihm verschlossen.
    Natürlich: Sie ist eine von uns.
    Doch im Gegensatz zu der Verbundenheit, die Elijah mit Winter, Mr. Kuehl oder Miss Washington empfand, fühlte er keine Nähe, wenn er Jill sah. Er empfand etwas völlig anderes.
    Er hatte Angst.
     
    Der Raum war grell beleuchtet, als Darian die Augen öffnete. Sie hörte ein Klappern, dann ging die Tür auf. Zinser betrat die unterirdische Zelle und musterte sie mit kaltem Blick.
    «Haben Sie sich entschieden?»
    «Ja», krächzte Darian. Sie fragte sich, wie lange sie wohl geschrien hatte. Eine Nacht oder zwei? Sie konnte es nicht sagen, aber es schienen ihr Jahre gewesen zu sein. «Ich helfe Ihnen. Aber … aber lassen Sie mich nicht wieder allein.»
    «Okay», sagte Zinser.
    Darian seufzte bebend. «Sagen Sie mir, was ich tun soll.»
     
    Dietrich nahm den schwarzen Hörer ab. Sekunden später hielt er ihn Laszlo hin. «Es ist für Sie.»
    Laszlo sprang von der Untersuchungsliege, die mit Papiertüchern ausgelegt war, und klemmte sein Nachthemd hinten zusammen. Er hielt den kalten Plastikhörer an sein Ohr.
    «Hallo?»
    «Hi, mein Liebster», sagte Darian heiser. «Tut mir leid, dass ich mich nicht verabschiedet habe. Ich musste schnell weg, es gab da ein Problem mit einem Jungen, den Samantha für einen möglichen Kandidaten hielt. Er wurde … eingewiesen.»
    Laszlo stellte sich vor, man würde ihn in eine geschlossene Anstalt sperren – die vielen wilden, wirren Geister, die einem den Verstand raubten … Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
    «Mach dir keine Gedanken. Wann bist du wieder zurück?»
    «Morgen», sagte sie, und ihre Stimme brach. «Laszlo … ich liebe dich.»
    «Ich dich auch.»
    Laszlo dachte, sie wollte noch etwas sagen, aber dann hörte er nur ein leises Klicken. Einen Moment hielt er den Hörer noch an sein Ohr, dann legte er auf.
    «Ist alles okay?»
    Laszlo wandte sich zu Dietrich um. Der schwitzte heftig, was offenbar sein Normalzustand war. Den ganzen Morgen über hatte er sich ständig die Stirn getupft oder seine Hände am weißen Laborkittel abgewischt.
    «Alles in Ordnung», sagte Laszlo, glaubte es aber selbst nicht so recht.
    «Sind Sie bereit?»
    Eine Woge freudiger Erregung ging durch ihn hindurch.
    «Absolut», sagte Laszlo und fuhr sich mit einer Hand über den frischrasierten Skalp. Er setzte sich wieder auf die gepolsterte Liege, sodass die Papiertücher unter ihm raschelten. «Lassen Sie uns loslegen.»
     
    Am nächsten Morgen wachte Laszlo früh auf. Zumindest glaubte er, es sei früh am Morgen. In einem fensterlosen Zimmer war das schwer zu sagen. Er streckte seinen linken Arm aus und stöhnte. Der Arm war noch wund von den vielen Injektionen. Er rollte sich auf den Rücken und starrte an die glatte weiße Decke. Da war absolut nichts zu sehen. Die Decke

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