Go vegan!: Warum wir ohne tierische Produkte glücklicher und besser leben (German Edition)
einem Fleischesser sage: »Ab morgen darfst du kein Fleisch mehr essen«, dann wird er sich in aller Regel nicht darauf einlassen. Genauso ist es, wenn ich zu einem Fleischesser sage: »Guck mal, hier ist leckeres Gemüse.« Das wird er vielleicht ab und zu essen und auch gut finden. Aber nach ein paar Tagen wird er sich den Geschmack von Fleisch zurückwünschen, einfach deshalb, weil er mit diesem Geschmack aufgewachsen ist. Das ist wie eine gustatorische Erziehung, die wir von klein auf bekommen. Wir lernen, Röstaromen oder den Geschmack von Jus zu schätzen, und wenn wir auf ihn verzichten müssen, dann geht er uns ab. Ich möchte den Leuten aber beweisen, dass Veganismus kein Verzicht sein muss.
Deshalb greife ich die Gewohnheiten der Menschen auf und setze sie mit anderen Zutaten um. Ich beweise den Menschen, dass es nicht das Fleisch ist, das den Geschmack definiert, denn Fleisch schmeckt im Grunde nach sehr wenig. Es sind die Gewürze, die den Geschmack ausmachen. Man muss es braten, kochen oder grillen, damit es genießbar ist. Genau das machen wir auch, aber eben ohne Fleisch.
Auch in meinem neuesten Restaurant, »MioMatto«, folge ich diesem Prinzip – diesmal jedoch mit einer italienisch inspirierten Speisekarte. Es gibt hausgemachte Pasta und Pesto, aber auch »Fischgerichte« aus Sellerie. Entsprechend zubereitet und gewürzt, zum Beispiel in einer feinen Kräuterkruste, gleicht er Fischfilet in Aussehen, Konsistenz und Geschmack. Dazu servieren wir zum Beispiel selbst gemachte Bandnudeln mit einer leichten Zitronenemulsion. Auch italienische Klassiker wie Vitello tonnato haben wir auf der Karte. Statt Kalbfleisch schneiden wir Räuchertofu oder Sojafleisch in hauchdünne Scheiben und legen es genauso ein, wie es sonst mit dem Fleisch gemacht wird. Dazu gibt es eine Zitronen-Kapern-Soße. Für den Meeresgeschmack sorgen gemahlene Noriblätter. Zu trinken kommen hauptsächlich italienische Weine oder auch in Berlin gebrannte Spirituosen wie Absinth, Wodka und Gin auf den Tisch.
Viele Fleischesser sagen: »Ihr wollt kein Fleisch essen, aber trotzdem imitiert ihr Fleisch.« Das ist aber nicht der Punkt: Auch die meisten Veganer haben im Laufe ihrer Sozialisation gelernt, dass eine bestimmte Optik oder ein bestimmtes Beißerlebnis lecker sind. Das ist Teil der Kultur, in der wir aufgewachsen sind. Warum sollen wir darauf verzichten, nur weil wir keine Tiere töten wollen? Außerdem erspart man dadurch Veganern die soziale Ausgrenzung. Ich erlebe das gerade bei den Kindern einer Bekannten, die vegan aufwachsen. Wenn es im Kindergarten Würstchen zu essen gibt, bekommen die beiden eine Tofuwurst und schon ist das gar kein Thema mehr. So wird veganes Essen zu etwas, an dem alle teilnehmen können, und niemand wird vom sozialen Aspekt des Essens ausgeschlossen. Diesen integrativen Effekt erlebe ich auch in meinen Restaurants immer wieder.
Will ein Veganer Freunde und Familie zum Essen einladen, hat er in einem konventionellen Restaurant oft Schwierigkeiten, für sich selbst etwas auf der Karte zu finden. Wenn man dann am Tisch anfängt, mit dem Koch oder der Bedienung zu diskutieren, wird es schnell sehr unangenehm. Ich nenne das den »Veggi-Effekt«: Irgendwann sind Freunde und Familie so genervt, dass sie sagen: »Lass uns doch irgendwo hingehen, wo du auch was essen kannst.« Und plötzlich kann der Außenseiter entscheiden, in welches Restaurant die ganze Gruppe geht. Wenn dieses Restaurant überzeugt, spricht sich das herum und die Gruppe wird immer wieder zurückkommen. So nimmt der vegane Eroberungszug seinen Lauf.
Björn Moschinski, Jahrgang 1979, betreibt seit August 2013 das vegane Restaurant »MioMatto« in Berlin. Ohne tierische Produkte zu kochen, hat er sich selbst beigebracht, erst zu Hause bei Muttern, dann in seiner WG, als Caterer bei Events und schließlich in verschiedenen Restaurants: bei Christl Kurz im Biohotel Kurz in Bischofswiesen, dann in Europas erstem veganem Restaurant »Zerwirk«, München, als Chefkoch im veganen Restaurant »La Mano Verde«, Berlin, und schließlich in seinem ersten eigenen veganen Restaurant »Kopps«, das er von 2011 bis 2013 in Berlin betrieb.
Der stärkste Pflanzenfresser Deutschlands
I ch wäre wohl kein Veganer, wenn ich nicht bei den Strongman-Meisterschaften im Jahr 2011 den Titel »Stärkster Mann Deutschlands« geholt hätte. Bei diesem Wettbewerb muss man in verschiedenen Disziplinen beweisen, wie viel Kraft man hat. Beim
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