Go vegan!: Warum wir ohne tierische Produkte glücklicher und besser leben (German Edition)
eine Lehre zum Koch macht, lernt die klassische Küche, also den Umgang mit Fleisch, Fisch und Milchprodukten. Die wenigen veganen Chefköche, die es heute gibt, haben sich das Kochen selbst beigebracht oder sind nach der Ausbildung vegan geworden. Bei mir war das ein weiter Weg, der in der Küche meiner Mutter anfing. Später, während des Studiums in Esslingen, hab ich dann angefangen, bei kleineren Konzerten und für Filmsets das Catering zu machen. 2002 habe ich mich selbständig gemacht, einen VW-Bus mit Anhänger gekauft, eine Küche reingezimmert und bin mit »Herbivore Catering« von Event zu Event gefahren. Wenn ich heute auf die Zeit zurückblicke, muss ich sagen: Es war ein Kampf. Die Zeit war damals noch nicht reif. Die meisten Leute konnten mit veganem Essen nichts anfangen. Die Vorurteile waren riesengroß. Deshalb habe ich das Catering-Geschäft 2005 wieder aufgegeben und bin erst mal bei verschiedenen vegetarischen und veganen Restaurants in die Lehre gegangen. Im September 2008 bekam ich dann in Berlin das Angebot, als Chefkoch ein veganes Restaurant mit aufzubauen. Dass es mir gelungen ist, mit dem »La Mano Verde« als erstem veganem Restaurant im Magazin Der Feinschmecker präsentiert und ausgezeichnet zu werden, darauf bin ich immer noch stolz. Mit meinem ersten eigenen Restaurant, dem »Kopps«, ist mir das dann ein zweites Mal gelungen.
Entscheidend dafür war, dass ich mir von Anfang an überlegt hatte, für wen ich kochen will. Ich koche nämlich nicht nur für Veganer. Die sind längst überzeugt und das ist gut so, da gibt es nichts mehr zu bewirken. Ich will die Fleischesser erreichen. Das ist meine Art von Tierrechtsarbeit. Denn schon als ich meine Freunde damals zum veganen Gulasch einlud, habe ich gelernt: Ein kleiner Happs bewirkt mehr als zwei Stunden Reden. Gleichzeitig weiß ich auch, dass sich ein Restaurant nur dann tragen wird, wenn man sowohl Veganer als auch Fleischesser als Kunden hat. Und dass sich mein Restaurant finanziell trägt, bin ich schon allein meinen Angestellten schuldig. Damit die Fleischesser aber kommen, muss man gehobene Gastronomie bieten können.
Daher habe ich mich entschlossen, gelernte Köche anzustellen, die fast nie Veganer sind. Markus Kümmel, mein erster Chefkoch, hat vier Monate gebraucht, um sich in die Materie einzuarbeiten. Immer wieder kam er mit genialen Ideen, die aber leider nicht vegan realisierbar waren. Eine seiner Kreationen war zum Beispiel ein Schokoladenkügelchen zum Dessert, das mit Brausepulver gefüllt sein sollte. Wenn man daraufbeißt, knistert der Inhalt auf der Zunge. Das kam in seinen vorherigen Restaurants immer sehr gut an. Die Schokolade ist vegan, aber die knisternde Füllung im Inneren enthält Milchpulver. Eine Alternative dazu haben wir leider noch nicht gefunden. Anfangs frustierten Erlebnisse wie diese den Koch, aber nach vier Monaten kam er eines Tages zu mir und sagte: »Björn, jetzt fangen die Ideen an zu sprudeln.« Er kannte die Produkte und hatte den Ehrgeiz entwickelt, daraus neue Kreationen herauszukitzeln.
Interessant war auch seine Motivation. Beim Vorstellungsgespräch sagte er: »Das ist die Küche der Zukunft!« Es gibt immer mehr Veganer und deshalb müssen sich auch konventionelle Köche immer öfter mit diesem Thema befassen. Markus wollte einfach seinen Fundus um einen wichtigen Aspekt erweitern, um eines Tages sagen zu können: »Ich kann auch vegan.«
Mein Ziel ist es, eine eher verspielte, experimentelle vegane Küche anzubieten, die auf drei Säulen basiert: Gemüseküche, deftige Fake-Fleisch-Küche und das, was ich »freaky vegan« nenne. Gerade arbeite ich zum Beispiel an veganem Kaviar. Den leicht fischigen Geschmack erreiche ich durch Algen, der Rest sind Geheimnisse der Molekularküche. Auch will ich mit einem ähnlichen Verfahren Spiegeleier faken oder Austern. Das ist alles keine Hexerei. Im Grunde geht es nur darum, eine Illusion zu erschaffen. Geschmack passiert ausschließlich auf der Zunge und im Kopf. Bestimmte Rezeptoren werden angesprochen und dann reagiert das Gehirn sofort. So funktioniert auch mein veganer Eiersalat. Der steht dem Original in nichts nach. Es sind aber keine Eier darin enthalten, sondern Kichererbsen. Die haben ebenso wie Eier einen leichten Schwefelgeschmack. Dazu vegane Mayonnaise und etwas zu gar gekochte Nudeln, die beim Kauen die gleiche Konsistenz haben wie hart gekochtes Eiweiß.
Im Grunde geht es nur darum, Gewohnheiten zu überlisten. Wenn ich zu
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