Go vegan!: Warum wir ohne tierische Produkte glücklicher und besser leben (German Edition)
Um so viele Eier zu produzieren, muss man eine Menge Hühner halten. Der Hof, auf dem ich war, hatte zwei riesige Hallen mit insgesamt vielleicht 15 000 bis 18 000 Tieren. Drinnen haben wir erst mal eine große Population Vogelmilben gefunden. Rote Vogelmilben saugen den Hühnern das Blut aus. Darüber hinaus waren die Anlagen völlig verkotet. Die Kotplatten waren teilweise 30 bis 40 Zentimeter dick. Wir haben sterbende Tiere gefunden, Tiere, die kaum noch Federn hatten, und wir haben Hühner gefunden, denen der Kopf abgerissen worden war. Da fragt man sich natürlich, wie so was passiert. Der Kopf fällt ja nicht von allein ab. Und die Mülleimer vor dem Stall waren randvoll mit toten Tieren. Nachdem wir und ein anderer Verein, Animal Rights Watch, die Recherchen veröffentlicht hatten, ist der Hof aus dem Naturland-Verbund ausgeschlossen worden – allerdings nur dieser Hof, soweit ich weiß, und nicht die gesamte Tiemann-Produktion.
Mir geht es nicht darum, Betriebe oder Konzerne zu ruinieren. Zu einem gewissen Grad habe ich sogar Verständnis für die Bauern. Für die ist es ganz normal, dass man Tiere aufzieht, die irgendwann geschlachtet werden. Damit verdienen die ihr Geld. Ich nehme an, dass die gegenüber dem ganzen Elend, das in ihren Ställen herrscht, ähnliche Scheuklappen haben wie ich, wenn ich durch den Sucher der Kamera gucke. Das macht es mir leichter, mit alldem umzugehen, was ich da sehe. Seit ich immer häufiger auch vor der Kamera agiere, habe ich festgestellt, dass mir das alles viel näher geht, einfach deshalb, weil das Distanz schaffende Objektiv wegfällt. Irgendwie müssen es die Bauern also auch schaffen, das alles zu verdrängen. Ich nehme an, sie haben sich daran gewöhnt, die Tiere einfach nur als Produktionsmittel wahrzunehmen und nicht mehr als Lebewesen mit Gefühlen und Schmerzempfinden.
Man muss auch ganz explizit sagen: An den katastrophalen Zuständen ist nicht allein der Tierwirt schuld, sondern ganz entscheidend auch der Konsument! Wenn der für 100 Gramm Mett nur 69 Cent zahlen will, muss man sich nicht wundern, dass auf den Höfen kein Cent dafür übrig ist, das Leben der Tiere auch nur ein bisschen lebenswerter zu machen.
Was ich erreichen will, ist, die Verbraucher zu informieren. Denn nur wenn Fleisch und andere tierische Produkte aus Massentierhaltung nicht mehr gekauft werden, wird sich etwas ändern. Dabei muss man leider aufzeigen, dass Biohöfe zum Teil auch nicht vor schlechter Haltung zurückschrecken. Die meisten Menschen haben ja eine ziemlich verklärte, romantische Vorstellung davon, was Biotierhaltung bedeutet. Man denkt, dass da 50 bis 100 Hühner wie anno dazumal bei Großmutter fröhlich scharrend und pickend auf der grünen Wiese herumlaufen. Dieses Bild stimmt in den wenigsten Fällen. 2008 zum Beispiel haben unsere Recherchen dazu geführt, dass die damals größte Biohühnerfarm in Nordrhein-Westfalen ihr Biosiegel wieder abgeben musste. Der Betreiber hieß Hennenberg und hat sehr viele Ställe in Deutschland. Zuerst hat er hauptsächlich Käfighaltung betrieben. Als sich der Markt veränderte, ist er auf Boden-, Freiland- und Biohaltung umgestiegen. In der Hühnerfarm, in der ich 2008 recherchierte, waren 20 000 Hühner untergebracht.
Von der Politik wurde der Betrieb als modernes, neues Projekt gelobt. Bei der Einweihungsfeier waren bestimmt 2000 Leute da und der Hof wurde in den Medien gehypt. Nur hat dummerweise niemand gemerkt, dass er gemäß den Vorschriften für Freilandhaltung etwa sechs Hektar zu wenig Auslauffläche hatte. Sechs Hektar zu wenig. Das kann man bei einer Kontrolle eigentlich nicht übersehen, aber es ist keiner der drei zuständigen Kontrollinstanzen aufgefallen, weder dem Nordrhein-Westfälischen Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in Düsseldorf noch dem Biopark-Verband, dem der Betrieb angehörte, noch dem Verein für Kontrollierte Alternative Tierhaltung, der das sogenannte KAT-Logo vergibt, das man braucht, um Bioeier im Supermarkt vertreiben zu können.
Das Problem ist, dass weder das Landesamt noch der Anbauverband noch der KAT-Verein selbst kontrolliert. In der Regel werden dafür private Institute engagiert. Meist ist es der Tierhalter selbst, der sich das Institut aussuchen kann, denn er muss die Kontrolle, die ziemlich teuer ist, auch bezahlen. Mit anderen Worten: Die Unternehmen konkurrieren untereinander um die Kontrollaufträge. Weil sie aber nicht von der Kontrollinstanz, sondern vom Tierwirt
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