Go vegan!: Warum wir ohne tierische Produkte glücklicher und besser leben (German Edition)
diesem Auftritt habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Dabei will ich einfach nur niemanden missionieren. Jeder soll selbst entscheiden, wie weit er geht. Und jede einzelne vegane Mahlzeit ist ein politisches Statement für sich.
Ich glaube, dass sich viele Veganer selbst etwas vormachen. Die meisten behaupten, sie seien vegan, weil sie den Tieren nichts zuleide tun wollen. Ich glaube, viele machen das aber in Wahrheit für ihr eigenes Ego. Sie wollen sich moralisch erhaben fühlen, sich dadurch von anderen Menschen abgrenzen und definieren darüber ihre eigene Identität. Und dann kommt einer wie ich daher und sagt: Ich mache Veganismus für den Mainstream kompatibel. Mit meiner 30-Tage-Challenge aus Vegan for Fit kann jeder seine Ernährung ganz leicht umstellen und damit auch noch abnehmen und zu einem gesunden und leichteren Lebensstil gelangen. Und plötzlich sind ganze viele Leute von der Idee begeistert. Das Buch verkauft sich 80 000 Mal in vier Monaten. Ganze Städte wie Thannhausen oder Bad Tölz und viele YouTuber machen plötzlich bei der 30-Tage-Challenge mit und dokumentieren ihren Erfolg wie viele andere zuvor mit einem täglichen Video-Log auf YouTube. 15 000 Leute melden sich in meiner »Vegan for Fit«-Facebook-Gruppe an und die ganze Idee wird zu einer richtigen Bewegung. Damit nimmt man den Müsli-Jochen-Veganern, denjenigen also, die sich immer besser als andere fühlen und nur am Rummäkeln sind, ihr Alleinstellungsmerkmal und das schmeckt denen nicht. Am Anfang sind mir die ganzen Anfeindungen sehr nahegegangen, weil ich nicht verstanden habe, was das soll. Ich dachte immer, dass wir alle das gleiche Ziel haben und zusammenarbeiten sollten. Stattdessen wurde ich ständig verbal attackiert. Ich bin der Meinung, dass jedes vegane Essen zählt. Dem Tier ist es egal, warum man es nicht isst. Aber irgendwann habe ich verstanden, worum es den militanten Veganern wirklich geht. An diesem Punkt meiner Karriere habe ich mich geistig von der veganen Szene verabschiedet.
Dabei geht es mir um mehr als nur darum, eine vegane Diät zu verkaufen. Ich hoffe, dass die Menschen, die mithilfe meines Buches 30 Tage lang vegan leben, danach weitermachen und sich dann allmählich auch mit den anderen Themen wie Tierschutz und Umweltschutz beschäftigen. Tatsächlich bleiben die allermeisten Menschen, die es 30 Tage lang schaffen, dabei.
Von Kategorisierungen und Schubladendenken halte ich nichts. Ich glaube daran, dass in allen Menschen etwas Positives steckt und dass man das wecken kann. Denn eigentlich wollen wir doch alle dasselbe: Wir wollen uns gut fühlen, positiv in den Tag starten und nach dem Essen kein schlechtes Gewissen haben. Deshalb sage ich den Menschen: »Wacht auf! Macht was aus eurem Leben! Ihr habt es selbst in der Hand! Sitzt nicht nur vor dem Fernsehen und lasst euch berieseln, sondern steht auf und geht euren eigenen Weg. Glaubt an euch! Denkt nach, was euer Konsum bedeutet und was ihr konsumiert. Euer Leben ist begrenzt, also nutzt die Zeit.« Aber selbst wenn wir das verstanden haben, sind wir alle keine Heiligen. Deshalb erreicht man mit einem Diätbuch, das eine sehr persönliche Verbesserung verspricht, mehr Menschen als mit altruistischen Zielen. Klare Regeln, die man einfach nur befolgen muss. Das ist es, was funktioniert.
Viele Menschen werfen mit vor, ein Selbstdarsteller zu sein, weil ich oft im Fernsehen auftrete. Aber nur so geht es doch. Stefan Raab lädt doch niemanden in seine Show ein, der sagt: »Ich hab da mal so ein Kochbuch gemacht.« Stefan Raab will Gäste in seiner Show haben, die sich nicht so leicht provozieren lassen. Wenn er einen veganen Koch einlädt, beißt er auch gern mal in ein Mettbrötchen. Soll er ruhig seine Jokes machen. Das ist Entertainment. Man muss die Idee gut verkaufen und die Menschen motivieren. Genau das ist mein Ziel. Ich habe meinen eigenen Stil. Ich bin in Berlin aufgewachsen und ich kann mit Akademikern genauso gut wie mit den Kreuzberger Jungs aus dem Fitnessstudio. Ich nenne das »öcool«: Öko und cool, ein bisschen provokant, aber gleichzeitig vegan. Wenn du eine echte Bewegung begründen willst, die viele Menschen in der Gesellschaft anspricht, dann brauchst du einen prominenten Brückenbauer, mit dem sich die Leute identifizieren können. Und genau das will ich sein.
Attila Hildmann, Jahrgang 1981, ist türkischer Abstammung und wurde als Kind von deutschen Eltern adoptiert. Er studiert Physik an der Freien
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