Go West - Reise duch die USA
verbrachten die Zeit, die uns blieb, damit, in einem der direkt am Meer liegenden Pools zu plantschen. Dann liehen wir uns Schnorchel aus und erkundeten die Unterwasserwelt. Ich traute mich nicht, weit hinauszuschwimmen, sondern blieb da, wo ich gerade noch stehen konnte. Ich war noch nicht einmal eine Minute geschnorchelt, da konnte ich schon einem tollen Schauspiel zusehen. Zuerst erschienen ein Dutzend kleiner durchsichtiger Tintenfische, die sich nebeneinander in der Strömung ausrichteten und darauf zu warten schienen, dass ihre Nahrung zu ihnen kommen würde. Eine Weile beobachtete ich fasziniert, wie sie sich abzusprechen schienen und wie Soldaten Aufstellung nahmen. Doch dann stoben sie urplötzlich auseinander, und ich wunderte mich, warum. Sekunden später schoben sich drei große Schatten in mein Blickfeld. Mir blieb das Herz stehen. Barrakudas! Ich kannte sie bisher nur aus dem Aquarium, doch jetzt, als sie nur eine Armlänge entfernt vor meinem Gesicht vorbeizogen, hatte ich keinen durch eine Panzerglasscheibe getrennten Nervenkitzel mehr, sondern erschrak fast zu Tode. Ganz deutlich sah ich ihre Zahnreihen. Ich wusste, was sie anrichten können und dass ich es nicht mal mitbekommen hätte, so schnell konnten diese Raubfische zuschlagen. Ich rührte mich nicht. Nicht mal zu blinzeln oder Luft zu holen traute ich mich.
In stoischer Ruhe zogen sie an mir vorbei und beachteten mich nicht. Mein Herz klopfte so wild, dass kleine Tsunamis ans Ufer schwappen mussten. Ich wartete noch etliche Sekunden, ehe ich behutsam auftauchte.
»Sandy!«, japste ich. »Barrakudas!«
Liz winkte mir zu. »Ich weiß! Ich hab sie auch gesehen! Wenn du nichts bei dir hast, das blinkt, tun sie nichts!«
»Was?«, rief Sandy.
»Reflexionen! Eine metallene Uhr oder eine verchromte Taucherbrille blinken im Wasser. Die Barrakudas denken, das sind Fischschuppen, und schnappen zu. Wir haben ja nur Plastikschnorchel, die interessieren sie nicht.«
Na, danke, irgendwie beruhigte mich das nicht. Ich hielt es noch ein paar Minuten im Wasser aus, aber dann erfand ich eine Ausrede und legte mich lieber in den sicheren Sand. Es dauerte nicht lange, und Sandy und Liz lagen neben mir.
»Ganz schön große Viecher, was?«, meinte Sandy.
»Die können bis zu zwei Meter lang werden.« Liz wrang ihre nassen Haare aus.
»Zwei Meter?« Ich schüttelte mich. »Ich geh nie wieder ins Meer!«
Liz musste lachen. »Autofahren ist gefährlicher. Oh, schaut mal, da!«
Ich folgte Liz’ ausgestrecktem Arm und entdeckte ein dunkles Dreieck, das nicht weit entfernt vom Ufer die Wellen durchschnitt.
»Ein Hai!«, entfuhr es Sandy.
»Jepp!«, sagte Liz. »Die gibt’s hier auch. Aber Touristen fressen sie nur zwischen neun und zwölf Uhr.«
Wir brachen in lautes Gelächter aus. Aber der Anblick der recht schnell durch das Meer sausenden Haifinne war schon unheimlich. Liz wusste nicht, um welche Art es sich handelte, aber das war mir eigentlich egal. Barrakudas, Alligatoren, Haie, stingrays … und ich sollte im Meer baden? Na ja, tat ich natürlich immer wieder, aber ich hatte schon ein komisches Gefühl, wenn ich reinging. Ich weiß, es passiert ganz selten mal etwas, aber wer will schon als das Seltene am nächsten Tag in der Zeitung stehen?
Schweren Herzens verabschiedeten wir uns am Nachmittag vom Breakers . Serge ließ es sich nicht nehmen, uns Tschüss zu sagen. Unglaublich, aber er hatte auf Heidis Veranlassung hin bereits ein Zimmer für uns in dem Motel in Homestead reserviert, sodass wir stressfrei anreisen konnten.
Wir verließen das Luxushotel mit ein wenig Wehmut. Aber ich glaube, dass etwas Einmaliges durch Wiederholung an Wert verlieren kann. Wenn es irgendwie geht, bewahrt euch die vergangenen Einmaligkeiten, aber sucht euch so viele neue wie möglich.
Als der boy mit einem netten Lächeln Liz’ Klapperkiste vorfuhr, gaben wir ihm ein gutes Trinkgeld. Dann machten wir drei Diven uns fröhlich winkend auf den Weg nach Homestead.
Winzlinge im Nebel
D er Weg nach Homestead führt über Miami. Diese Stadt übt einen gewaltigen Reiz aus. Das Art-Déco-Viertel mit seinen pastellfarbenen Häusern, Miami Beach mit seinen Selbstdarstellern, die in ihren Cabrios im Schritttempo und mit wummernden Bässen an den Hotels vorbeischleichen, die unzähligen Clubs und Discos, die die Nächte so heiß wie die Tage machen, und nicht zuletzt das tropische Flair ziehen jedes Jahr etliche Touristen an. Was die allerdings meist nicht wissen, ist,
Weitere Kostenlose Bücher